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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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fort: »Mir war vorhin schon ungeheuer schwindlig, als wir ihm ganz nahe waren. Wie willst du da erst sicher in ihn hinein- und vor allem wie wieder hinauskommen? «
    »Du hast Recht«, gab Yonathan nachdenklich zu. »Ich habe auch so ein eigenartiges Schwindelgefühl gespürt und ich fürchte, der Sumpf hält noch mehr Unannehmlichkeiten bereit. Möglicherweise ist es wirklich zu gefährlich.« Sie schwiegen eine Zeit lang. Dann fügte Yonathan hinzu: »Ich schlage vor, wir hören uns erst einmal an, was dieser Anführer uns zu sagen hat. Vielleicht wollen sie uns ja mitnehmen und wir können eine bessere Gelegenheit zur Flucht abwarten.«
    »Und wenn nicht?«, fragte Yomi.
    »Dann müssen wir fliehen. Wir stürmen zwischen diesen beiden Feuern dort in den Wald«, Yonathan wies mit den Augen in die Richtung, »und versuchen am Rand des Sumpfes entlangzulaufen. Vielleicht gelingt es uns die Verfolger in den Sumpf zu locken, ohne dass wir ihn betreten müssen.«
    »Wenn es wirklich so weit kommen sollte, dann musst du eben das Koach zu Hilfe zu nehmen. Die Macht des Stabes hat uns schon in den Höhlen des Ewigen Wehrs geholfen. Sicher kann sie es irgendwie auch in diesem Sumpf da draußen. Wenn sie dir den Stab nur nicht wegnehmen…«
    »Ruhig, ihr da drüben!«, brüllte ein anderer Soldat, mit Goldnieten und schwarzem Haarbüschel am Helm – also wohl ein Hauptmann – »Oder ich schneide euch die Zungen raus.« Dem Blick des hakennasigen Mannes war zu entnehmen, dass er bedauerte ihnen noch eine Chance gegeben zu haben.
    Yonathan dachte, wie eigenartig sich alles entwickelte. Als er seine Reise antrat, war er voller Zweifel gewesen. Doch nun fühlte er weder Furcht noch stellte er seinen Auftrag irgendwie in Frage. Er betrachtete diese ganze Situation eher als ein Rätsel. Er erinnerte sich an seine Auseinandersetzung mit dem Baum Zephon – auch dort hatte er so empfunden. Wenn es ihm gelänge des Rätsels Lösung zu finden, dann würde auch ihre Flucht gelingen.
    Mit fast unmerklichen Bewegungen der Lippen hauchte Yonathan Yomi zu: »Sie werden mir Haschevet nicht wegnehmen, das kannst du mir glauben.«
    Schweigend saßen die Freunde nebeneinander. Sie wollten die Wachen nicht zu übereilten Reaktionen reizen. Die Männer im Lager waren nach wie vor in voller Rüstung. Ein schlechtes Zeichen, dachte Yonathan. Sie sind jederzeit aufbruchsbereit.
    Die Lichtung, auf der das Lager aufgeschlagen worden war, hätte auch einer größeren Schar Kriegern Platz geboten. Zwei der sechs Lagerfeuer brannten vor dem einzigen Zelt, in dem der Anführer verschwunden war; die anderen vier loderten auf der gegenüberliegenden Seite in einem Halbkreis. Die derben Gesichter der Soldaten waren ausdruckslos. Alle hatten dunkle Hautfarbe, schwarze Vollbärte, schmale Nasen und hervorstehende Wangenknochen. Ohne Ausnahme waren die Männer von überdurchschnittlicher Größe und kräftigem Körperbau, ihre Bewegungen wirkten zielsicher und geschmeidig. Kein Zweifel: dies war eine Eliteeinheit.
    Die Atmosphäre im Lager wirkte bedrückend. Wenn überhaupt, dann sprachen die Männer leise miteinander. Nur ab und zu hörte man ein hartes Lachen, dann war wieder das Knistern und Knacken der Feuer das vorherrschende Geräusch.
    »Mir ist etwas aufgefallen«, flüsterte Yomi. »Die Gesichter der Männer sind nicht verhüllt.«
    Zunächst begriff Yonathan nicht, wovon Yomi sprach. Aber dann erinnerte er sich, was man im Allgemeinen über die Bewohner der Südgegend erzählte: Sie waren immer verschleiert – mit Ausnahme der Priester, die eine Sonderstellung einnahmen. Angeblich hatte das mit ihrem Glauben zu tun. Kein Ungläubiger durfte das Angesicht eines Anbeters Melech-Arez’ sehen. Und wenn doch, dann konnte sich der nur durch den Tod des anderen reinigen.
    War es das, was Yomi meinte? Zeigte man ihnen nur deshalb die Gesichter, weil sie praktisch schon tot waren? Yonathan warf seinem Freund einen besorgten Blick zu.
    »Da ich nicht annehme, dass wir hier in eine Gesellschaft von Priestern geraten sind, schlage ich vor weiter an unseren Fluchtplänen zu arbeiten«, flüsterte Yomi.
    Die jüngste Entdeckung wirkte eher lähmend auf die beiden Freunde und eine Zeit lang brüteten sie schweigend vor sich hin.
    Plötzlich hörten sie Flügelschlagen und im nächsten Moment landete ein schwarzer Vogel vor ihren Füßen. Als Yonathan das Tier genauer betrachtete, erkannte er es wieder.
    »Ist das nicht das Biest, das vor drei Tagen den

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