Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
schwarz
    glänzendem temánahischem Stahl.
     
    Niemand sonst konnte solches Kriegswerkzeug fertigen wie die Bewohner der geheimnisumwitterten Südgegend. Ein zweifelhafter Ruf!, dachte Yonathan. Er bezweifelte nicht, dass die Rüstungen und Waffen, die Temánah über seine Grenzen hinweg verkaufte, minderwertig oder veraltet waren. Niemand würde seine besten Waffen dem Gegner überlassen.
    Die Rüstungen der etwa dreißig Krieger, die Yonathan jetzt im Lager zählte, waren an normalen neschanischen Verhältnissen gemessen purer Luxus. Außerhalb des Reiches Bar-Hazzats konnten sich wohl nur einige militärische Würdenträger eine ähnliche Ausstattung leisten. Der Temánahische Stahl wurde, so erzählte man, nach geheimen Rezepten aus mehreren verschiedenen Metallen hergestellt, die miteinander verschweißt und dann ausgeschmiedet wurden. Er war leicht, elastisch und sehr widerstandsfähig. Ein Dolch oder gar ein Schwert aus diesem Material verlieh jedem Mann im Cedanischen Kaiserreich großes Ansehen, eine ganze Rüstung besaßen wohl nur wenige.
    Die Waffen der Krieger waren mindestens so eindrucksvoll. Alle trugen mächtige Rundsäbel und ebenso gebogene Dolche. Im Gegensatz zu der auffälligen Gleichförmigkeit der Uniformen wiesen die Scheiden der Schwerter unterschiedlichste Verzierungen von hoher Kunstfertigkeit auf. Emaillearbeiten und Lederschmuck prangten in fremdartigen Mustern. Die Schwerter temánahischer Krieger wurden als wichtigstes Erbe vom Vater auf den ältesten Sohn übertragen. Eine ganze Reihe anderer Waffen, die näher zu betrachten Yonathan die Zeit fehlte, waren noch im Lager zu sehen: Kurzbögen, Streitäxte und -kolben, Kurzspeere…
    Auch die Soldaten hatten im Lichte der Lagerfeuer zum ersten Mal die Gelegenheit Yonathan und Yomi genauer zu betrachten. Der Anführer baute sich vor Yomi auf, beäugte ihn aus nächster Nähe und fuhr ihn an: »Was soll diese alberne Bemalung? Soll das ein Zauber sein oder was?«
    »Das hat nichts weiter zu bedeuten, Herr Hauptmann. Ich habe nur zur falschen Zeit am falschen Ort zu fest geschlafen.«
    Das Gesicht des Anführers verzog sich zu einem breiten, boshaften Grinsen. Yomi schlug eine Wolke stinkenden Atems entgegen. Die Nase rümpfend schaute er auf zwei lückenhafte Reihen schiefer Zähne in allen Farben zwischen Gelb, Braun und Schwarz, die an eine sturmreif geschossene Stadtmauer erinnerten.
    Doch schon schwanden wieder diese ohnehin nicht sehr anheimelnden Anzeichen der Freude aus dem Gesicht des Anführers. »Ihr bleibt hier stehen!« Mit einem verächtlichen Blick auf Yonathans Fuß, den dieser nur mit den Zehenspitzen vorsichtig aufgestellt hatte, fügte der pockennarbige Mann hinzu: »Oder sitzen. Ich mache jetzt Meldung und dann wird er sich bestimmt ein wenig mit euch unterhalten wollen. Also, macht keine Schwierigkeiten, dann machen wir euch auch keine.« Er wandte sich ab und murmelte in seinen schwarzen Bart: »Vorläufig jedenfalls nicht.«
    Die beiden Gefangenen hatten kein Wort gesagt, nur mit versteinerten Mienen zugehört. Jetzt flüsterte Yomi Yonathan zu: »Hast du gehört, was er zuletzt gesagt hat?«
    Yonathan nickte.
    »Meinst du, sie werden uns etwas antun?«
    »Wie eine Einladung zum Abendessen klang es jedenfalls nicht.«
    »Denkst du, wir könnten fliehen?… Ich meine mit deinem Fuß… und überhaupt.«
    Yonathan verzog das Gesicht. »Einen Marsch, wie den eben, würde ich kein zweites Mal durchstehen. Aber du könntest vielleicht allein…«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, unterbrach ihn Yomi. Er blickte um sich, fing aber nur feindselige Blicke der bronzehäutigen Krieger auf. Leiser fuhr er fort: »Entweder wir fliehen gemeinsam oder wir bleiben beide hier. Ich lass dich nicht allein, Yonathan.«
    Yonathan dachte nach. Es musste einen Ausweg geben. Bisher hatte es immer einen gegeben. Schließlich sagte er: »Wenn wir fliehen, dann kann es nur in eine Richtung sein, in die uns diese Männer entweder nicht folgen werden oder nicht finden können.«
    »Und woran hast du gedacht?«
    Anstatt zu antworten, blickte Yonathan vor sich hin.
    Yomi verstand sofort. »Du meinst, der Sumpf…?«
    »Es ist der einzige Ausweg, den ich sehe. Diese Leute hier scheinen noch nichts von ihm zu wissen. Wenn der Sumpf sich im gleichen Tempo weiterbewegt, dann wird er noch vor Tagesanbruch ganz in unserer Nähe sein.«
    »Das ist aber gefährlich!«, sagte Yomi. Wieder blickte er zu den Temánahern hinüber und fuhr flüsternd

Weitere Kostenlose Bücher