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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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kleinen Rotschopf gejagt hat?«, flüsterte Yomi Yonathan erstaunt zu.
    »Nicht nur der«, presste Yonathan zwischen den Zähnen hervor. »Sieh ihn dir doch genau an, Yo. Erkennst du ihn nicht wieder?«
    »Da ist ja unser Goldstück«, krächzte der Vogel, noch ehe Yomi antworten konnte.
    Yonathans Gefährte riss vor Staunen Augen und Mund auf. »Zirah!«, rief er, ohne noch weiter auf die Wachen zu achten. »Du alte Krähe – hier? Wo hast du denn deine grellen Flügel gelassen?«
    »Zügle deine Zunge, Yo«, erwiderte das gefiederte Ungeheuer in drohendem Ton. Yomi, der mit einer solchen Antwort nicht gerechnet hatte, weil Zirah für ihn immer nur ein gedankenlos daherplappernder Vogel gewesen war, blieb tatsächlich einen Moment lang wie erstarrt sitzen. Zufrieden mit der Wirkung ihrer kleinen Ansprache, wandte sich Zirah wieder Yonathan zu. »Was ist denn mit dem langen Tollpatsch passiert? Warum hat er ein braunes Gesicht?«
    »Ich glaube nicht, dass dich das was angeht. Sag uns lieber, was der wirkliche Zweck für das Theater war, das du uns auf der Weltwind vorgespielt hast.«
    Zirah lachte krächzend. »Du erinnerst dich doch noch an deine Flucht von der Weltwind, nicht wahr? Ich sagte dir doch, dass es zwecklos sei vor mir zu fliehen.«
    »Das war keine Flucht!«, fuhr Yomi erregt dazwischen. »Wir sind unfreiwillig über Bord gegangen und wären fast ertrunken. Hätten sie dich doch bloß ins Wasser geworfen, du falscher Geier oder was du auch immer bist.« Yomi kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Ja, was bist du eigentlich?«
    »Das möchtest du bestimmt nicht wirklich wissen, Yo«, warf Yonathan dazwischen, ohne den Blick von Zirah zu wenden. Er dachte daran, was man sich über die Geschöpfe des Melech-Arez erzählte – üble Kreaturen, nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich bösartig. Seit Arajoth, der zweite Richter, ein gewaltiges Heer dieser Ungeheuer vernichtend schlug, hatte es immer wieder Berichte über einzelne, herumstreunende Exemplare dieser scheußlichen Wesen gegeben. Man sagte, die meisten von ihnen seien ergebene Diener Melech-Arez’ und seiner Fürsten. Yonathan war überzeugt, dass Zirah da keine Ausnahme machte. Schon auf der Weltwind hatte er zuletzt begriffen, dass sie kein gewöhnlicher Vogel war, dass sie zu den Spionen Sethurs gehörte und sich nur auf Kapitän Kaldeks Schiff befand, um ihn – den Stabträger – zu überwachen.
    »Warum soll er nicht wissen, was ich bin?« Zirahs im Plauderton gesprochene Worte brachten Yonathan in die Wirklichkeit zurück. »Ich bin Bar-Hazzats bester Kundschafter«, behauptete sie. »Seit langem bin ich in der Welt unterwegs, um den neuen Stabträger zu finden; Bar-Hazzat ist sehr an ihm interessiert. Er wird erfreut sein…«
    »Das genügt, Zirah!«, unterbrach eine neue Stimme die Ausführungen des gefiederten Meisterspions.
    Yonathan hatte sich – den Stab Haschevet wie eine Waffe fest in seiner Hand haltend – so sehr auf Zirah konzentriert, dass ihm nicht aufgefallen war, wie noch jemand hinzugetreten war. Erst jetzt bemerkte er das Schweigen der bis dahin im leisen Gespräch vertieften Soldaten. Nur das Knistern der Lagerfeuer war noch zu hören. Er drehte den Kopf und sah einen Mann, den er sofort erkannte – auch wenn er sich nicht erklären konnte, warum.
    Mit Schaudern erinnerte er sich an jene Stimme, die die Besatzung der Weltwind für einen Augenblick gelähmt hatte. Nun blickte er ihm ins Angesicht: Sethur, Heeroberster Bar-Hazzats, rechte Hand des dunklen Herrschers, bester, aber auch grausamster Kämpfer Temánahs.
    Yonathan war keiner Bewegung fähig. Er glaubte eine eiskalte Hand würde sein Herz umschließen und es langsam zusammenpressen. Verzweiflung und Resignation stiegen in ihm hoch. Unwillkürlich umschloss er den Stab Haschevet fester. Als würde der Stab antworten, gewann er langsam die Kontrolle über sich zurück.
    Sethur lächelte mit schmalen Lippen, sein Gesicht war wie versteinert. »Ihr seht überrascht aus, mein junger Freund.«
    Erst jetzt fiel Yonathan auf, dass Sethurs Stimme nicht ungewöhnlich klang. Sie war nicht ein unfassbares Etwas in seinem Kopf. Im Gegenteil. Aus jedem anderen Mund hätte Yonathan diese tiefe, volle Stimme als wohlklingend empfunden. Jedes der wenigen, bisher vernommenen Worte spiegelte ein ungewöhnliches Maß an Durchsetzungsvermögen wider; kein Zweifel, dass dieser Mann keinen Widerspruch duldete. Der Heeroberste Bar-Hazzats war für seine Stellung sehr

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