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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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jung, vielleicht Anfang dreißig. Sethur war hoch gewachsen, etwa so groß wie Yomi, jedoch wesentlich muskulöser. Ein langer, karminroter Umhang reichte ihm von den Schultern, wo eine goldene Spange ihn hielt, bis zu den Knöcheln. Darunter trug Sethur einen Panzer, der denjenigen seiner Soldaten ähnelte, jedoch wesentlich prachtvoller gearbeitet war. Goldene und silberne Ziselierungen bildeten fremdartige Muster, die sich auf der kostbaren Schwertscheide wiederholten. Im Gegensatz zu seinen Männern trug Sethur Beinkleider aus schwarz gefärbter Wolle und fein gearbeitete schwarze Lederstiefel.
    Sethurs Gesicht war nicht so grob wie das seiner Krieger. Seine Haut wirkte etwas heller. Unter buschigen, schwarzen Brauen lagen zwei dunkle Augen, die ruhig und wachsam ihre Umgebung wahrnahmen. Die schmale Nase, die dünnen, etwas blutleeren Lippen und der dreieckige, in einem spitzen Kinn auslaufende Unterkiefer verliehen seinem bartlosen Gesicht eher das Aussehen eines Gelehrten als das eines unnachgiebigen und skrupellosen Befehlshabers.
    Yonathan hatte sich zwar erhoben (seinen schmerzenden Fuß nahm er in diesem Augenblick kaum wahr), er machte aber noch immer keine Anstalten auf Sethurs Bemerkung zu antworten. Deshalb fügte dieser hinzu: »Man nennt mich Sethur. Ich diene Bar-Hazzat, dem Sohne Melech-Arez’, dem Herrscher Temánahs und dem rechtmäßigen Souverän Neschans.« Sethur lächelte geheimnisvoll. »Und wie darf ich Euch ansprechen, mein junger Freund?«
    Yonathan spürte Wut in sich aufsteigen. Das alles hatte er doch erst kürzlich durchgemacht. Der Baum Zephon war ihm mit ähnlich scheinheiliger Freundlichkeit begegnet. Er fragte sich, ob das ein gemeinsames Merkmal aller Sklaven von Melech-Arez war.
    Vielleicht bestand darin aber auch seine Chance. Ja, vielleicht konnte er Sethur genauso anpacken wie Zephon.
    »Ich habe nur einen Namen«, entgegnete Yonathan schroff. Er blickte Sethur offen in die schwarzen Augen. »Ich heiße Yonathan, was so viel heißt wie ›Yehwoh hat gegeben‹. Euer Name bedeutet dagegen ›der im Verborgenen Wirkende‹. Ich gratuliere, Sethur, Ihr habt Eurem Namen alle Ehre gemacht. Ihr habt es verstanden mit einer Horde von dreißig bewaffneten Kriegern zwei wehrlosen Jungen im Verborgenen aufzulauern und sie zu überwältigen. Eine grandiose Leistung!«
    Yonathan hatte so spöttisch und verächtlich wie möglich gesprochen, wofür er von Yomi einen gleichermaßen bestürzten wie besorgten Blick erntete.
    Der Hauptmann, der den Trupp angeführt hatte, sprang wütend hinzu, zog sein Schwert und brüllte Yonathan an: »Hüte dich, du Wicht! Sonst schneide ich dir die Zunge heraus. Niemand darf so mit ihm sprechen.«
    Yonathan hatte mit einer ruhigen, aber entschlossenen Bewegung auch seine zweite Hand zum Stab Haschevet geführt, um einem möglichen Angriff des Hauptmannes begegnen zu können. Yomi neben ihm ballte ohnmächtig die Fäuste.
    Sethur waren diese unauffälligen Gesten seiner beiden Gefangenen nicht entgangen. Der scharfe Blick seiner zu zwei Schlitzen verengten Augen lag auf Haschevet. Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er den Hauptmann an der Schulter. »Halt, halt, Gavroq.«
    Dessen Gesicht verzerrte sich zu einer schmerzerfüllten Maske. Ein leises Knirschen war zu hören. Er knickte in den Beinen ein, als hätte er einen Schlag in die Kniekehlen erhalten und taumelte zurück. Sethurs Gesicht verharrte während der ganzen Zeit in einem unbewegten Lächeln – keinerlei Anstrengung war darin zu lesen. Der Heerführer schien mehr Kraft in einer Hand zu haben als der Hauptmann in beiden Beinen.
    »Den wirst du nicht wie Zephon packen können«, flüsterte Yomi Yonathan zu. Er glaubte Yonathans Plan durchschaut zu haben.
    »Nein, ihn nicht«, raunte Yonathan zurück. »Mach die Augen zu, wenn ich den Stab hebe.« Yomi nickte zustimmend, auch wenn er nicht ganz verstand, was sein Freund im Schilde führte.
    Yonathan hatte ebenfalls sehr schnell bemerkt, dass Sethur kaum aus der Reserve zu locken war. Nach allem, was er über die Anhänger Melech-Arez’ wusste, hätte er in dem Heerführer Bar-Hazzats einen Mann erwartet, der von einem unstillbaren Hunger nach Macht angetrieben wurde. Aber sein Gefühl meldete ihm, dass das ein Irrtum war. Offenbar glaubte Sethur aufrichtig, der Zweck seines Daseins bestände darin, Bar-Hazzat ein loyaler Diener zu sein. Natürlich half das ihren Fluchtplänen nicht. Sethurs Ergebenheit gegenüber Bar-Hazzat würde es

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