Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Farben hat.«
Yomi zögerte mit mahlenden Kiefern und Yonathan war sich nicht sicher, ob Blodoks Interesse nur eine Bekräftigung seiner »Einladung« war oder ob er eine Antwort erwartete. Als das Schweigen unerträglich zu werden drohte, trat Yonathan neben seinen Freund und erklärte: »Der Seemann Yomi und ich wurden durch ein furchtbares Unwetter zusammengeführt, edler Blodok. Er und ich gingen gemeinsam über Bord und konnten uns nur mit Mühe retten. Jetzt befinden wir uns auf dem Weg nach Cedanor. Vielleicht könnten wir von Euch ein Schiff erwerben…«
»Kein Schiff, das den Golf befährt, wagt sich so weit nach Norden«, schnitt Blodok Yonathan das Wort ab. Seine Stimme troff von bittersüßem Gift. »Es fällt mir schwer eure Geschichte zu glauben.« Beifälliges Raunen erhob sich in der Menge.
»Da habt Ihr ziemlich Recht«, stimmte Yomi eilig zu und erläuterte: »Die Stelle, wo sich das Unglück ereignete, ist… etwas weiter weg. Um die Wahrheit zu sagen: ungeheuer viel weiter!«
»Das macht die Sache nicht glaubwürdiger«, zweifelte der stellvertretende Chef. Sein Tonfall wurde schärfer, denn er bemerkte, dass die umstehenden Gefolgsleute an dieser Art der Gesprächsführung Gefallen fanden. »Der Kleine da«, er deutete auf Yonathan, »trägt einen, wie mir scheint, kostbaren Stab bei sich. Wenn man über Bord geht, wird man sich wohl kaum die Zeit nehmen, noch seine wertvollen Habseligkeiten zusammenzuklauben. Ich glaube eher, dass ihr den Ort eurer Herkunft und eure Absichten mit Bedacht vor uns verbergen wollt. Es haben sich nämlich in letzter Zeit merkwürdige Dinge bei uns zugetragen. Unser Chef ist mit seinem Schiff noch immer nicht zurückgekehrt, obwohl das Meer jeden Tag unsicherer wird. Hinzu kommt, dass vor zwei Abenden der Mondbach viel früher zu tosen begann als sonst – etwas, das es noch nie gegeben hat, solange unsere Kolonie hier existiert.«
Er legte eine kurze Pause ein, beugte sich beängstigend weit vor, die schwarzen Augen abschätzend zusammengekniffen, und senkte die Lautstärke seiner Stimme, um ihr mehr Bedrohlichkeit zu verleihen. »Nicht wenige meiner Leute fragen sich, ob das alles möglicherweise ein schlechtes Omen sein könnte. Sie glauben, das Verborgene Land hätte Hexerausgespuckt, die Übles über uns bringen sollen. Nicht umsonst scheuen sich die Menschen von alters her hier am Südkamm zu siedeln. Sie glauben, dass an diesem Küstenstreifen der Fluch, der einst das Verborgene Land entvölkerte, noch immer wirksam ist. Ihr beiden werdet verstehen, dass wir vorsichtig sein müssen. Hexer muss man verbrennen und ihre Asche an einer tiefen Stelle im Meer versenken, damit sie keinen Schaden mehr anrichten können.«
»Ich verstehe Euch sehr gut«, erwiderte Yonathan, noch bevor Yomi etwas sagen konnte. »Wir kommen tatsächlich aus dem Verborgenen Land.«
In der Menge breitete sich lautes Murmeln aus und schon bald loderten an immer mehr Stellen hitzige Wortwechsel auf. Für einen Augenblick war es Yonathan unmöglich fortzufahren. Yomi wäre am liebsten im Boden versunken, hätte sich in Luft aufgelöst oder sonstwie unsichtbar gemacht. Jedenfalls glaubte der blonde Seemann, nun könne nichts mehr ihr baldiges Ende abwenden. Blodok kämpfte inzwischen verzweifelt um Ruhe. Sein Gesicht nahm eine glänzend rote Farbe an.
»Aber wir kommen nicht als übel gesinnte Boten irgendeiner dunklen Macht«, fuhr Yonathan schließlich fort. »Unser Unglück, von dem wir Euch erzählten, ereilte uns am Ewigen Wehr. Wir durchquerten das Verborgene Land und kamen so zu Euch. Das ist die Wahrheit.«
»Er lügt!«, erklang eine aufgeregte Stimme. »Das ist ein Trick, um uns abzulenken!«, rief eine andere. »Lasst uns ihre Hälse durchschneiden und sie anschließend verbrennen, gleich hier, auf der Stelle!« Und schließlich skandierte die ganze Menge: »Verbrennt sie! Verbrennt sie!«
Blodoks inneres Gleichgewicht war sichtlich in Unordnung geraten. Die Ereignisse drohten sich zu verselbständigen. Mit einer hastigen Geste verschaffte er sich die Aufmerksamkeit seines Adjutanten. »Schnell, führe sie ins Konferenzzentrum!«, befahl er.
Die Anweisung wurde sofort ausgeführt. Blodok trotzte der aufgebrachten Menge mit der geballten Masse seines Körpers. Yonathan bedauerte fast, dass er nicht den Ausgang dieser Ereignisse mitverfolgen konnte, war aber froh dem Mob vorerst entkommen zu sein.
»Wir sollen ins ›Konferenzzentrum‹?«, meinte Yomi. »Ich hätte nicht
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