Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
gedacht, dass es hier so was gibt.«
»Ich auch nicht«, antwortete Yonathan.
»Klappe!«, dröhnte eine Stimme hinter ihnen. »Weiter!«
Die beiden Unglücklichen wurden mit langen Spießen auf die andere große Hulk zugetrieben, das Schiff, das bisher weniger im Mittelpunkt ihres Interesses gestanden hatte.
»Hoch da!«, befahl der Mann mit dem Säbel und deutete mit der schartigen Klinge auf eine Strickleiter.
Yonathan und Yomi wurden über die Planken des Dreimasters und dann durch eine Luke unter Deck gestoßen. Hier fanden sie sich in einem großen Raum wieder, der von einer langen Holztafel in seiner Mitte beherrscht wurde. Ringsum standen dreibeinige Hocker. Der einzige komfortable und mit einer hohen Lehne ausgestattete Stuhl befand sich am Kopfende der Tafel. Es blieb nicht viel Zeit sich eingehender umzusehen, denn schon schob man die beiden Gefangenen durch eine weitere Luke im Fußboden noch tiefer in den Bauch des Schiffes hinein. Über eine schmale Stiege erreichten sie einen dunklen, muffig riechenden Laderaum. Mattes Tageslicht sickerte durch einige Ritzen.
Das Krachen der Deckenklappe besiegelte die Gefangensetzung der beiden Gefährten und sie waren allein. Nicht ganz allein – zaghaft streckte Gurgi den Kopf aus dem Versteck an Yonathans Brust und als sie sich vergewissert hatte, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, schob sie sich ganz ins Freie. Mechanisch begann Yonathan den nervösen kleinen Masch-Masch zu streicheln. An Yomi gewandt bemerkte er: »So, jetzt weißt du, was ein Konferenzzentrum ist.«
»Ja«, sagte Yomi. »Ich habe schon gemerkt, dass es im Kopf dieses Blodok ungeheuer wirr zugeht. Dauernd wirft er mit komplizierten Worten um sich, die kein Mensch versteht.«
»Och, ich verstehe schon, was er meint. Ich habe mal gehört, in Cedanor gäbe es ein Konferenzzentrum, eine große Halle aus Sedin-Gestein. Wenn es etwas Wichtiges zu beraten gibt, dann lädt der Kaiser alle seine Fürsten und Vasallenkönige ein, lässt sie einen Tag lang palavern und sagt ihnen anschließend, was sie zu tun haben.«
»Ich kenne die Halle – von außen jedenfalls.« Yomi schnaubte verächtlich. »Aber es ist ja wohl ein Witz, diese Kaschemme hier als Konferenzzentrum zu bezeichnen.«
»Jedenfalls sind wir hier zunächst mal sicher.«
»Fragt sich nur, für wie lange.«
»Ist dir an dem Dicken nichts aufgefallen?«
Yomi zuckte die Achseln. »Außer, dass er mich die ganze Zeit so blöde angestarrt und ziemlich verrücktes Zeug dahergeredet hat – und uns noch nicht hat umbringen lassen –, eigentlich nichts.«
»Genau das meine ich, Yo. Normalerweise ›verirrt‹ sich niemand so schnell nach Kartan, wie er meinte. Warum nicht? Weil man die Besatzungen der Schiffe, die man auf die Klippen lockt, für gewöhnlich gleich umbringt.«
»Sofern sie nicht das Glück haben vorher zu ertrinken.«
»Vielleicht haben sie einen Grund dafür, dass sie uns nichts tun – so wie damals, als die Piraten unsere Weltwind überfielen, uns aber kein Haar krümmten.«
»Genau! Und diesen Grund müssen wir herausfinden. Ich habe ein ungutes Gefühl. So ein Kribbeln auf der Kopfhaut, als könne dieser Grund uns doch noch einige Probleme bereiten.«
»Aber was könnte das sein? Vielleicht Haschevet? Sie schienen unheimlich an deinem Stab interessiert zu sein.« Yomi schüttelte den Kopf. »Aber nein. Das glaube ich nicht. Sie hätten uns ja ohne Probleme die Hälse durchschneiden und sich dann alles nehmen können, was sie haben wollten.«
»Es sei denn…«
Der wankelmütige Pirat
Yonathan und Yomi fuhren zusammen, als sich unvermutet die Luke über ihren Köpfen öffnete. Eine schmale Gestalt zeigte sich in der Lichtöffnung und kletterte die Stiege hinab. Dichtauf folgte eine zweite, kleinere, etwas stabiler gebaute.Die erste trug eine Öllampe, die zweite bemühte sich einen Topf zu transportieren, ohne seinen Inhalt zu verschütten.
»Ihr beiden werdet uns doch keine Schwierigkeiten machen«, sandte die erste Gestalt ihre Worte wie einen Abwehrzauber voraus. Unten angekommen wandte sie sich sogleich den beiden Gefangenen zu. Gelbes Licht ergoss sich fast widerstrebend über ein Gesicht, das Yonathan einen gehörigen Schrecken einjagte. Vor ihm stand die hässlichste Frau, die er je in seinem Leben gesehen hatte.
»Wir sind nicht hierher gekommen, um irgendjemandem Schwierigkeiten zu bereiten«, antwortete Yomi. Er hatte noch nicht zu dem höflichen Ton zurückgefunden, den er Blodok
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