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Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
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anderthalb Meter mal
anderthalb Meter ungefähr. Ich überlegte, ob sie die wohl selbst gemalt hatte,
und als sie mit einem Drink in jeder Hand zurückkam, fragte ich sie danach.
    »Ja«,
erklärte sie. »Das sind meine Bilder. Da war ich glücklich, da ging es mir
nicht so gut.«
    Sie
zeigte zuerst auf den Fischer, dann auf das Rot. Ich dachte, dass ich auf jeden
Fall das Bild vorzog, das sie gemalt hatte, als es ihr schlecht ging. Aber ich
sagte nichts dergleichen, erklärte stattdessen, dass mir beide außerordentlich
gut gefielen.
    »Das
glaube ich nicht«, widersprach sie mir und stellte die Gläser auf dem Tisch ab.
»Entweder man mag das eine oder das andere, so ist es nun einmal.«
    »All
right«, sagte ich. »In dem Falle ziehe ich das rote vor.«
    »Die
Farbe der Liebe, des Bluts und der Revolution«, stellte sie fest. Sie setzte
sich in den Sessel mir gegenüber, trat die Schuhe von den Füßen und zog die
Beine unter den Körper.
    Ich
schnupperte an meinem Glas - Martini, ein wenig Gin, ein bisschen Limone, wenn
ich mich nicht irrte. Ein Hauch von Zimt, intensiv und gut. Ich lehnte mich
zurück und fragte mich, wieso zum Teufel ich in diesem schweren Sessel gelandet
war, mit dieser mir unbekannten Frau auf der anderen Seite des Tisches.
    Vielleicht
stellte sie ähnliche Überlegungen an, auf jeden Fall saßen wir eine Weile
schweigend da, nachdem wir an unseren Drinks genippt hatten. Eine Kirchenuhr
begann irgendwo in der Nähe zu schlagen, ich versuchte die Schläge mitzuzählen,
aber nach dem achten unterbrach sie mich.
    »Was
bedeuten sie für Sie?«
    »Was?«,
fragte ich. »Wer?«
    »Na,
die Gedichtzeilen natürlich. Über die Würmer. Wie interpretieren Sie sie?«
    »Interpretieren?«,
fragte ich. »Sie können doch nicht verlangen, dass ich meine eigenen Worte
interpretiere?«
    »Sie
meinen, das sei eine Sache für die Kritiker?«
    »Nein,
für die Leser. Wenn es einer Erklärung bedurft hätte, dann hätte ich eine
Fußnote geschrieben.«
    Wir
sprachen noch einige Minuten darüber. Und noch einmal über das Wort Morgenröte. Und ob man sich - in gewisser Weise - immer dessen bewusst
ist, was man selbst schafft; dieselbe Frage stellt sich natürlich auch Malern
und Komponisten und was es da sonst noch so gab. Man hat nicht das Recht, von
dem Urheber zu erwarten, dass er sein Werk erklärt. Dann erzählte ich ihr von der Blindheit, die mich während
der Lesung am Abend überfallen hatte, und wir diskutierten dieses merkwürdige
Phänomen eine Weile, ohne auch nur im Geringsten eine Erklärung dafür zu
finden, was da eigentlich passiert war.
    Auch
rätselten wir weiter darüber, wie es kommen konnte, dass zwei Menschen jeder
für sich zu so ziemlich dem gleichen Zeitpunkt an ganz verschiedenen Orten
sieben identische Gedichtzeilen schafften.
    Nachdem
wir die Drinks geleert hatten, wechselten wir aufs Sofa. Ich dachte, dass jetzt
wohl von mir erwartet wurde, sie zu verführen, oder dass sie mich verführen
würde, aber dem war nicht so. Stattdessen begann sie mir aus ihrem Leben zu
erzählen; ich nehme an, dass auch ich einiges von meinem eigenen Werdegang
beisteuerte, aber es war zweifellos Winnie, die für den größten Part der
Geschichtsschreibung verantwortlich war.
    Sie
war in Kairo geboren, wie sie erklärte. Aber in London, Reykjavik und Rom
aufgewachsen. Ihr Vater war Diplomat gewesen und die Familie seinen
Amtswechseln gemäß oft umgezogen. Ihre Eltern waren beide bei einem
Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als Winnie sechzehn Jahre alt war. Ihre
Schwester Abigail war
damals achtzehn. Ein paar Jahre lang lebten sie bei einer älteren,
schwermütigen Tante in Haag, doch sobald es ihnen möglich war, stürzten sich
beide Mädchen ins Leben. Gleichzeitig trennten sich ihre Wege, Winnie wurde an
einer renommierten Kunstakademie in Amsterdam angenommen, Abigail begann ihr Jurastudium in Oxford.
    Nach
einem Jahr in Amsterdam lernte Winnie Frank kennen, wie sie erzählte, und nach
einem weiteren Jahr heirateten die beiden. Beide hatten einigen Erfolg als
Künstler, sie als Malerin, er als Bildhauer, und Anfang der Neunziger zogen sie
nach Berlin, das als Europas Mekka der Künstler angesehen wurde. Winnie war
damals vierundzwanzig Jahre alt.
    Sie
blieb sechs Jahre in dieser brodelnden, hektischen Stadt, bis zum Mai letzten
Jahres, als sie sich scheiden ließen und sie beschloss, nach Aarlach zu ziehen.
    Ruhe
und Frieden, erklärte sie. Es war die Stille und das einfache Leben, das sie
nach der

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