Nest: Jake Sloburn Horror-Thriller
das Mädchen in dem Zimmer angestellt haben mochten, er selbst hätte es hier drin höchstens ein paar Minuten ausgehalten, dachte Jakob, dieses ganze Gezappel war schlimmer als in einer Großraumdisko. Zögernd betrat er den Raum. Vielleicht waren sie schon wieder nach unten gegangen, vielleicht warteten sie alle schon in der Bar auf ihn, dachte Jakob, während er, ohne zu wissen warum er das tat, die Tür leise hinter sich ins Schloss zog und weiter in den Raum vordrang. Pure Neugier wahrscheinlich. Durch die vielen Spiegel war es schwer zu sagen, wie groß der Raum tatsächlich war – Jakobs räumliches Vorstellungsvermögen wurde hier auf eine ziemlich harte Probe gestellt.
Nachdenklich ließ er seine Finger über den Bettbezug aus Latex gleiten. Das Material fühlte sich kalt und seltsam glitschig an. Er drückte die Matratze ein und vernahm ein leises Gluckern aus dem Inneren des Bettes. Ja, es war ein Wasserbett und noch dazu das gewaltigste, das Jakob je gesehen hatte, mindestens zwei Meter breit und in der Länge bestimmt noch einen halben Meter mehr – eine regelrechte, schwarze Gummispielwiese.
Er wanderte weiter durch den Raum und betrachtete die Spiegel, strich über ihre glatten Oberflächen. Irgendwie ließen die Spiegel in ihm eine Ahnung aufsteigen, etwas Undefiniertes am Rande seiner Wahrnehmung, aber kam nicht darauf, was es war.
Als Jakob an der Stirnwand hinter dem riesigen Bett ankam, bemerkte er, dass einer der Spiegel dort geborsten war. Ein Spinnennetz feiner Risse ging kreisförmig von seiner rechten, oberen Ecke aus und reflektierte den Raum in hunderten, winzigen Spiegelwelten.
Die Einschlagstelle war ungefähr auf der Höhe von – nein, etwas höher als Jakobs Stirn. Ziemlich genau in Höhe von Jans Kopf. Im Zentrum des Netzes aus Spiegelsplittern saß, wie eine fette Spinne, ein großer Tropfen einer dunklen Flüssigkeit, die wie ein zähflüssiger Sirup-Faden am Spiegel hinabgelaufen war und in den zuckenden Lichtreflexen der Bildschirme ständig ihre Farbe zu wechseln schien.
Und plötzlich hatte Jakob Angst. Eine unsichtbare Faust packte sein Herz und begann es zusammenzudrücken. Aus einem irren Instinkt heraus war Jakob sofort klar, um was es sich bei dieser Flüssigkeit nur handeln konnte. Sein Blick ging nach unten und er bemerkte dass er in einer Lache derselben Flüssigkeit stand, einem kleinen, roten See, der nun auch an den Sohlen seiner nackten Füße klebte. Blut.
In diesem Moment hörte er ihre Stimme auf dem Flur, rau und unnatürlich verzerrt. »Liebster!«, rief sie und diesmal war es kein Kosename mehr, sondern eine höhnische Drohung. Sie schickte ein irres, kehliges Lachen hinterher, bei dem sich die Haare in Jakobs Nacken aufrichteten. »Liebster, wo bist du?«, spottete sie, und wieder dieses heisere Lachen, während ihre Schritte den Gang entlang hallten. Zügige, feste Schritte – und sie kamen direkt auf ihn zu.
Während sich Jakob mit zunehmender Panik im Zimmer umsah, schien ihm eine Stimme in seinem Kopf absurderweise beruhigende Worte zuzurufen. Die Spuren hier konnten von allem Möglichen stammen, das rote Zeug war wahrscheinlich überhaupt kein Blut, und falls doch, so saß Jan jetzt wahrscheinlich grinsend über sein Ungeschick unten in der Bar und wurde von der strammen kleinen Russin verarztet. Und welchen Grund gab es eigentlich dafür, dass er plötzlich Angst vor der Frau (zumindest war sie ja teilweise eine Frau) hatte, mit der er vor ein paar Minuten noch das Bett und seine intimsten Fantasien geteilt hatte?
Aber Jakob vertraute dieser kläglichen Stimme nicht, denn sie klang unsicher, zweifelnd, als ob sie selbst nicht wirklich an das glaubte, was sie von sich gab. War da nicht sogar eine Spur von Hysterie in dieser Stimme?
Und dann kam der Instinkt, plötzlich und ohne Vorwarnung. Jakob wurde augenblicklich ruhig, fast traumwandlerisch und schaltete die weinerliche, innere Stimme in seinem Kopf einfach ab. Überlegte. Denn jetzt war da diese andere Stimme. Eine, die in einem besonnenen und vernünftigen Tonfall sprach. Und diese Stimme sagte, und sie hatte dabei geklungen wie die Stimme eines Vaters, der seinem leicht zurückgebliebenen Kind einen einfachen Sachverhalt erklärt:
»Hinter die Spiegel. Du musst hinter die Spiegel gelangen.«
Jakobs Blick fiel auf die zerborstene Spiegelscheibe mit dem großen Blutstropfen in der Mitte.
Ein Klopfen, draußen auf dem Gang, an der Tür zum Klo.
»Bist du allmählich fertig mit dem
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