Nest: Jake Sloburn Horror-Thriller
Bebauungspläne futuristischer Städte aussahen.
Eine Krawatte trug Jake Sloburn nie, denn abgesehen davon, dass ihn ein solches Anhängsel bei der Ausübung seines Jobs massiv behindert hätte, war ihm die wirkliche Bedeutung dieses Accessoires bewusster als den meisten Menschen. Krawatten machten Jake Sloburn stets ein wenig traurig, wenn er sie um die Hälse seiner Mitbürger geschlungen sah.
Unter der Sitzfläche eines kleinen Holzstuhls, nicht unähnlich dem in einem bestimmten Jugendzimmer am anderen Ende der Stadt, standen ein paar einfache, braune Wildlederschuhe, die benutzt aussahen, aber noch recht gut in Schuss waren. Erstaunlich gut in Schuss, wenn man bedachte, welche Entfernungen Jake Sloburn in diesen Schuhen bereits zurückgelegt hatte.
Er zog die Schuhe an, verknotete ihre Senkel fest und warf sich einen dünnen Trenchcoat über – ein hellbraunes, unscheinbares Ding, das sich mit seinem Anzug zum perfekten Bild eines bescheidenen Durchschnittsmenschen ergänzte. Eines kleinen Handelsvertreters für, sagen wir, Staubsauger oder Abonnements eines Buchklubs. Eines allem Anschein nach nicht besonders erfolgreichen Vertreters seiner Zunft.
Er trug den Trenchcoat nicht, weil ihm kalt war, obwohl die Nacht über der Stadt lag und die Kühle eines regnerischen Herbstes in ihren Straßen und den kleinen Gässchen steckte wie in den arthritischen Knochen eines alten Mannes. Genau genommen hätte er weder den Trenchcoat noch den Anzug gebraucht. Kalt war ihm eigentlich nie, warm im Übrigen auch nicht. Aber der Anzug und der Trenchcoat passten gut zu dem Mann, den Jake Sloburn darstellte.
Sloburn schnappte sich den Joint vom Schreibtisch und zog ihn der Länge nach zwischen seinen Lippen hindurch, um mit der Zunge das Papier anzufeuchten. Dann klemmte er sich den Joint in den Mundwinkel, setzte sich rücklings auf den kleinen Stuhl und wartete. Nach einer Weile glomm der Joint an seiner Spitze auf, ohne dass Sloburn ihn angesteckt hätte. Knisternd verbrannte das dünne Zigarettenpapier und das wohltuend-süßliche Aroma von Haschisch begann sich in dem kleinen Zimmer auszubreiten. Jake hatte den kleinen Holzstuhl so gedreht, dass er zum Fenster hinaus schauen konnte, in die Nacht, in den Regen. Er saß auf dem kleinen Stuhl, starrte in das Dunkel vor dem Fenster. Rauchte und wartete.
11
A ls Jakob vor der Tür des Zimmers stand, in das er Jan und die kleine Russin früher am Abend hatte verschwinden sehen, zögerte er. Schließlich hatte er keine Ahnung, wobei er sie möglicherweise unterbrechen würde und wenn er an das dachte, was er noch vor ein paar Minuten mit Diana angestellt hatte – vielmehr: was Diana mit ihm angestellt hatte –, nun, dabei hätte er sich auch nur sehr ungern beobachten lassen. Andererseits, er war müde und wollte endlich los, nach Hause zu Julia. Also presste er sein Ohr an die Tür des Zimmers und lauschte.
Nichts.
Nach einer Weile hob er seine Hand, um zu klopfen. Dann zögerte er, ließ die Hand auf halber Höhe in der Luft verharren. Schließlich entschied er sich dazu, die Tür vorsichtig einen Spalt zu öffnen und in das Zimmer zu schauen. Wenn die beiden beschäftigt waren, würde er die Tür einfach leise wieder schließen und warten, bis sie fertig waren. Dass sie ihn in diesem Fall bemerken würden, war eher unwahrscheinlich.
Und wenn sie nicht mehr beschäftigt waren, um so besser. Dann würden sie gemeinsam die anderen einsammeln, zahlen und dann schnellstmöglich von hier verschwinden.
Die Tür des Zimmers war unverschlossen. Als er hineinlugte, präsentierte sich der Raum vollkommen leer, aber er brauchte eine Weile, um das festzustellen. Das Zimmer war dunkel, mit einem riesigen Bett (war das ein Wasserbett?) in seiner Mitte und das einzige Licht stammte von den Mattscheiben der unzähligen Bildschirme an den Wänden. Die Szenen wurden von den großen Spiegeln ringsum zuckend zurückgeworfen und zerfielen in ein verwirrendes Kaleidoskop der Lust. Auf den großen Bildschirmen liefen ausschließlich Pornofilme. Ziemlich harte Pornofilme, stellte Jakob fest, hauptsächlich Gangbang -Szenen und solches Zeug. Die Monitore und Spiegelflächen glichen einem endlosen Reigen, in dem sich ganze Heerscharen von Männern über ein paar zierliche Mädchen herzumachen schienen. Jemand hatte die Geräte stumm geschaltet und so fanden die zügellosen Orgien in völliger Stille statt, was den gespenstischen Eindruck des Raumes noch verstärkte.
Was immer Jan und
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