Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
ängstlichem Gesicht unten erschien, denn sie hatte ihren Pflegling oben überall vergeblich gesucht, stand ein niedlicher, kleiner Junge mit zwei blonden Rattenschwänzchen vor ihr und lachte sie schelmisch an.
Da konnte Fräulein nicht böse sein, Annemarie sah zu süß aus. Und sie bat so zärtlich, Fräulein möchte sie doch noch ein bißchen als kleiner Junge rumlaufen lassen, daß Fräulein es ihr nicht abschlagen konnte.
Die zwölfjährige Elli kam nun auch zum Vorschein. Sie gab Annemarie einen Klaps auf die Höschen und sagte: »Na, Peter?« Da hing sich statt des Bruders Klein- Annemarie lachend an ihren Hals.
Auch die Jungen, die zusammen schliefen, erkannten die Kleine nicht, das gab ein lautes Hallo.
»Wo gehen wir nachher zuerst hin?« fragte der zehnjährige Herbert beim Frühstück.
»Natürlich in die Ställe, wir müssen doch Klaus und Annemarie erst die Pferde, Kühe und Schweine vorstellen«, rief sein jüngerer Bruder Peter.
»Nein, ich muß erst in die Rumpelkammer«, erklärte Klein-Annemarie wichtig.
»Was - wo willst du hin? Was willst du denn in der Rumpelkammer?« so fragte man.
»Ja, ich muß doch erst Ellis alten Puppenwagen für meine Gerda vorkramen«, meinte das Puppenmütterchen.
Aber die gute Elli hatte bereits ihren Puppenwagen für das kleine Kusinchen zurechtgestellt, und ihre große Kochmaschine dazu. Von diesem Augenblick an liebte Annemarie die große Kusine über alle Maßen.
Dann zog die ganze Gesellschaft in die Stallungen. Fräulein konnte inzwischen in Ruhe auspacken.
Zuerst ging's zu den Pferden. Der kecke Klaus ließ sich von einem Knecht gleich auf einen der Braunen setzen und schrie dazu »Hü« und »Hott«.
Annemarie aber stand ängstlich weitab. Sie traute sich nicht mal an das niedliche Füllen, das Babypferdchen, heran, das Elli mit Zucker fütterte.
Und als sie sich schließlich überreden ließ, dem Tierchen selbst ein Stückchen Zucker zu reichen, da zog sie laut schreiend das Händchen zurück, welches das Füllen beschnuppert hatte. Ganz genau zählte sie nach, ob auch kein Fingerchen fehlte, der Zucker aber lag auf der Erde.
Bei den Kühen erging es Klein-Annemarie nicht viel besser. Obwohl sie ihrer Gerda so mutig versichert hatte: »Die beißen nicht!« wagte sie sich nicht näher. Warum schlugen sie denn auch so ärgerlich mit der Schwanzquaste? Und vier Beine zum Stoßen hatten sie auch, an jeder Ecke eines.
Plötzlich aber rief die Kleine erfreut, auf eine wunderhübsche, weißbraune Kuh zeigend: »Das ist ja die Kuh aus meinem Bilderbuch!«
»Quatsch«, lachte Vetter Peter, »das ist doch eine lebendige.«
»Na, denn ist es eben ihre Schwester, sie sieht ihr genau so ähnlich wie Tante Kätchen meiner Mutti«, erklärte Annemarie mit Bestimmtheit.
Onkel Heinrich, der von seinem Morgenritt zurückgekehrt war und den schmeichelhaften Vergleich gerade mit angehört hatte, lachte dröhnend.
»Weißt du denn auch, was uns die Kuh gibt?« fragte er.
»Aber das weiß doch sogar schon meine Gerda, daß man die Milch von der Kuh kriegt«, rief Annemarie stolz.
»Na, und der Kaffee, wo kommt der her?« neckte der Onkel.
Die Kleine besann sich keinen Augenblick.
»Natürlich vom Pferd, denn er ist ebenso braun!«
Schallendes Gelächter folgte auf Klein-Annemaries Ausspruch. Selbst die Kühe lachten, daß ihr langer Schwanz hin und her wackelte.
Annemarie aber lief aus dem Kuhstall und teilte Elli heimlich mit, daß sie sich »ganz schrecklich schäme«.
Die Schweinchen fanden auch nicht den Beifall der kleinen Kusine. Sie meinte geringschätzig: »Die sind ja gar nicht richtig! Die Ferkelchen in meinem Bilderbuch sehen rosenrot aus und riechen auch gar nicht so abscheulich!«
Aber von der Geflügel-Kinderstube war Annemarie nicht fortzubringen.
Ach Gott, wie niedlich! Die kleinen Entchen, die noch ganz gelbe Flaumfedern hatten, die winzigen Gänschen und die süßen, kleinen Kücken, die so unbeholfen hinter ihrer Hennenmutter hertappelten.
Auch der Kaninchenstall mit seinen übermütigen Bewohnern, die sich gar lustig überpurzelten, machte den Stadtkindern große Freude.
»Nun wollen wir in den Garten gehen«, meinte Elli. Ach, war es da schön! Lauter Stiefmütterchen und Vergißmeinnicht und die vielen Gänseblümchen, die da alle auf dem Rasen wuchsen.
»Pflücke dir doch welche, wir wollen für deine Gerda einen Kranz machen, Annemariechen«, schlug Elli vor.
Die Kleine zögerte.
»Ja, darf ich denn auf den Rasen treten?«
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