Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
weichen Lockenkopf an ihrer nassen Wange. Zärtlich schmiegte sich ein kleines, kaltes Gesicht an ihr heißes.
»Gerda!« Die hell aufjubelnde Annemarie hielt ihr Kind unversehrt in den Armen.
Onkel Heinrich aber hatte den weinenden Räuberhauptmann am Schlafittchen.
»Diesmal habe ich die Puppe noch errettet, aber wehe dir, du Bengel, wenn du ihr noch mal auch nur ein Härchen krümmst!«
Klaus versprach hoch und heilig, Puppe Gerda von nun an in Frieden zu lassen und machte sich erleichtert an seine Erdbeermilch.
Wirklich, der Schreck hatte was genützt, Klaus ließ die Puppe jetzt ungeschoren. Aber seine wilden Streiche unterblieben trotz alledem nicht.
Sogar das Schwesterchen verführte er dazu.
Es war am Tage vor der Heimreise. Da hatte Tante Kätchen ihr Damenkränzchen bei sich. Das war eine Kaffeegesellschaft von zwölf Damen, die jede Woche woanders stattfand. Mehrere Damen von benachbarten Gütern und verschiedene aus dem nahen Städtchen gehörten dazu.
Da das Wetter so wunderschön war, hatte Tante Kätchen die Kaffeetafel im Freien unter dem großen Nußbaum gedeckt. Elli hatte fleißig dabei geholfen, und auch Annemarie legt eifrig Teelöffel und Servietten hin.
»Ihr Kinder könnt heute nachmittag im Wäldchen spielen, da hören wir euer Toben wenigstens nicht«, sagte Tante Kätchen zu den drei Jungen.
»Aber paßt mir auf Annemarie auf, Elli geht in die Stadt zur Klavierstunde, und Fräulein Lena will packen.«
»Schade, daß wir nicht beim Kaffeekränzchen dabei sein dürfen«, sagte Peter mit einem bedauernden Blick auf die rosengeschmückte Tafel mit den herrlichen Kuchen.
»Sie lachen immer so toll beim Kaffeekränzchen«, sagte Herbert, »man hört es Gott weiß wie weit. Wenn ich bloß mal dabeisein könnte!«
»Das kannst du ja«, fiel Klaus mit Gemütsruhe ein.
»Ne, Mutter hat gesagt, wir sollen im Wäldchen spielen.«
»Du mußt dich eben nicht sehen lassen«, meinte Klaus. »Wir könnten uns vielleicht unterm Tisch verstecken«, überlegte Herbert.
»Ne, da erwischt man uns, das Tischtuch reicht nicht so weit runter.«
Peter schüttelte den Kopf.
»Aber hier oben im Nußbaum sieht uns kein Mensch, der ist ja so dicht«, flüsterte Klaus.
Der Nußbaum - famos - ja, das ging!
»Aber was machen wir mit Annemarie?« Herbert zog nachdenklich die Stirn in Falten.
»Die nehmen wir mit, die hat ja hier wunderschön klettern gelernt.«
Klaus wußte Rat.
Annemarie war natürlich sofort für den Vorschlag zu haben. Und kurz vor vier sah man eine Range nach der anderen erst auf die Bank und von da aus in das niedrige Geäst des großen, dichten Nußbaums klettern. Selbst Annemarie brachte das Kunststück mit Herberts Hilfe zuwege.
»Nun noch meine Gerda«, auch die machte die Reise auf den Baum.
Die Kleine klatschte vor Freude in die Hände.
»Fein ist's hier oben, ich sitze wie in einer grünen Laube!« rief Annemarie.
Aber »pst« machte Herbert über ihr, denn da kamen schon die ersten Damen.
Klein-Annemarie hielt Gerda vorsorglich den Mund zu.
Es dauerte den Vöglein in den grünen Zweigen recht lange, bis alle vollzählig waren, und das Mädchen mit der großen Kaffeekanne erschien. Die Riesenschale Schlagsahne stellte sie in die Mitte des Tisches gerade unter den Nußbaum. Peter, das Schleckermäulchen, leckte sich die Lippen, und auch Herbert, Klaus und Annemarie, die anderen Vögel, machten lange Hälse und sperrten begehrlich die Schnäbel auf.
Eigentlich war es doch recht langweilig bei solch einem Damenkränzchen. Die taten ja nichts weiter als essen, trinken und reden. Hin und wieder lachten sie auch, aber gar nicht so toll, wie Herbert gesagt hatte.
Ach, wieviel schöner wäre es jetzt, im Wäldchen zu spielen und zu toben, als hier so mäuschenstill zu sitzen und zu warten.
Jeder einzelne von den fünf Vögeln - Puppe Gerda mit einbegriffen - wünschte, daß Klaus niemals auf den Gedanken gekommen wäre. Und er selbst am meisten. Ja, er überlegte allen Ernstes, ob man nicht heimlich hinter dem Baum herunterrutschen könnte. »Nun reisen Ihre kleinen Gäste auch schon wieder ab, es wird Ihnen wohl ordentlich schwer, sich von ihnen zu trennen«, wandte sich die dicke Frau Bürgermeister an Tante Kätchen.
»O ja«, antwortete die, »Klein-Annemarie wird mir sehr fehlen. Klaus, der Unband, allerdings weniger. Ich bin jeden Tag froh, wenn er mit heilen Gliedern heimkommt.«
»Siehst du, Klaus, da hast du's - der Horcher an der Wand hört seine eigene
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