Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen

Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen

Titel: Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
müssen.
    Auch hungern ließ das schlechte Puppenmütterchen ihre Kinder, sie hatte ja keine Zeit mehr, für sie zu kochen. Sie mußte ja auf den Tisch klettern, von den Stühlen springen und Radau machen. Nur Gerda, die Lieblingspuppe, wurde nicht vernachlässigt, die war bei allen Dummheiten ihre treue Genossin.
    Noch schlimmer wurde es, als das schöne Sommerwetter ein Ende hatte und häßliches, graues Regenwetter kam. Annemarie konnte nicht mehr in den Tiergarten gehen und mußte nun zu Hause bleiben.
    Aber das kleine Mädchen, das früher niemals Langeweile gekannt, das sich stundenlang allein beschäftigte, hatte das Stillsitzen verlernt.
    »Fräulein, was soll ich denn bloß machen?« - »Mutti, ich langweile mich ja so schrecklich« - so ging das den ganzen Tag.
    »Du müßtest mal wieder Puppenwäsche halten, Annemariechen«, schlug Fräulein vor » ... sieh nur, wie unsauber deine Kinder aussehen.«
    »Ach, die ollen Puppen!« murrte Annemarie unlustig und quälte weiter.
    »Spiele doch mit deinem hübschen Kaufmannsladen, du hast dich doch sonst so gern damit beschäftigt«, sagte Mutti kopfschüttelnd.
    Dann lief Annemarie wohl zu Hanne und bettelte ihr allerlei für ihren Laden ab, aber wenn es endlich soweit war, daß das Spiel beginnen sollte, hatte sie es auch schon wieder über.
    »Fräulein, ich langweile mich so«, klang es aufs neue.
    Vorwurfsvoll sahen die Puppen auf den kleinen Quälgeist. Sie hätten Annemarie nur zu gern die Zeit vertreiben helfen, aber die mochte ja nichts mehr von ihnen wissen. »Ich wollte, du wärst in der Schule angenommen worden, Lotte«, sagte Mutti mit einem tiefen Seufzer.
    Nesthäkchen war derselben Meinung, dann brauchte sie sich wenigstens hier zu Hause nicht so zu langweilen.
    Aber eines Tages, als es mit Annemarie mal wieder gar nicht auszuhalten war, als sie mit keinem Spielzeug spielen wollte, hatte Mutti die Sache satt.
    »Du kommst in einen Kindergarten, mein Kind, da bist du wenigstens vormittags beschäftigt«, sagte sie mit Bestimmtheit.
    Ein Kindergarten - was war denn das? Das Wort »Garten« erweckte in Nesthäkchen Vorstellungen von dem schönen Arnsdorfer Gutsgarten, wo man nach Herzenslust auf dem Rasen herumtollen durfte, wo man auf Bäume klettern konnte und sich Obst pflückte, soviel man nur wollte.
    Und daß noch mehr Kinder in diesem Garten waren, erschien Annemarie nur um so verlockender. Sie war mit einem Mal wie ausgetauscht. Das weinerliche Mauzen war verstummt, jubelnd klang es bei Doktors durchs Haus: »Morgen komme ich in den Kindergarten!«
    Mutti brachte ihr Nesthäkchen selbst hin. Es war ein Privatkindergarten von zehn Kindern in der Nähe, der ihr empfohlen worden war.
    »Wo ist denn der Garten?« fragte Annemarie, sich vergeblich umschauend, als sie zwei Treppen in einem Hause heraufgestiegen waren.
    Aber Mutti konnte nicht mehr antworten; denn es wurde bereits auf ihr Klingeln geöffnet.
    Eine liebenswürdige junge Dame kam ihnen entgegen.
    »Ich möchte meine Kleine für Ihren Kindergarten anmelden, Fräulein Gebhardt«, sagte Mutti. »Sie ist in der Schule wegen Überfüllung nicht angekommen und kann sich nicht mehr zu Hause beschäftigen.«
    Annemarie wurde rot. Nun wußte das fremde Fräulein gleich, wie unartig sie zu Hause gewesen war.
    Aber die junge Dame beugte sich freundlich zu der Kleinen herab, streichelte ihr die Wangen und meinte: »Wir werden sicherlich gute Freunde werden, ich bin Tante Martha, und wir werden schön zusammen spielen.« Dann öffnete sie die Tür zum Nebenzimmer. »Siehst du, hier ist unser Kindergarten, da sind noch mehr kleine Mädchen und Jungen, willst du ihnen mal ,Guten Tag‘ sagen?«
    Aber das wollte Annemarie ganz und gar nicht. Scheu stand sie auf der Türschwelle, den Zeigefinger im Munde, und warf einen schüchternen Blick in das Nebenzimmer.
    Sollte das vielleicht ein Garten sein? Da drin in der Stube spielten zwei kleine Mädchen mit Puppen, mehrere kleine Knaben hatten sich aus Stühlen eine Eisenbahn zusammengekoppelt und riefen: »Abfahrt!«, während zwei andere Jungen einen großen Turm aus Bausteinen bauten. Am Tisch aber saßen ebenfalls einige Kinder, die Köpfchen eifrig über bunte Flechtarbeiten gebeugt.
    »Das beste ist, Sie lassen mir Ihre Kleine gleich da, gnädige Frau, sie gewöhnt sich dann am schnellsten ein«, sagte das Fräulein.
    Mutti war damit einverstanden.
    Sie beugte sich zu Annemarie herab, küßte sie und sagte in mahnendem Ton: »Nun sei brav, meine

Weitere Kostenlose Bücher