Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
von Annemarie schien Knecht Ruprecht überhaupt nichts wissen zu wollen.
Da war das kleine Mädchen furchtbar traurig und es versprach, niemals wieder so etwas zu tun.
Als dann Fräulein Lena Hut und Mäntelchen herbeibrachte, denn es war Zeit für den Kindergarten, wollte Annemarie, die sonst so gern zu Tante Martha ging, durchaus nicht hin.
»Ich geniere mich so doll, nachher denkt Tante Martha noch, ich bin ein fremder, kleiner Junge!« flüsterte sie dem Fräulein ins Ohr.
Die aber sagte: »Das schadet gar nichts, daß du dich schämst, das ist deine Strafe!«
Und so traten zwei kleine Kahlköpfe, Annemarie und Gerda, zu Tante Marthas und aller Kinder größtem Erstaunen heute im Kindergarten an.
Ach, Annemarie mußte sich wirklich schämen, denn jeder fragte sie doch, wo sie denn ihre hübschen Zöpfchen gelassen habe. Obwohl die Kinder jetzt so nette Weihnachtsarbeiten bei Tante Martha anfertigten und dazu mit hellen Stimmen Weihnachtslieder sangen, war Klein- Annemarie lange nicht so vergnügt wie sonst. Das Lied »Morgen kommt der Weihnachtsmann« traute sie sich gar nicht mitzusingen, weil doch Knecht Ruprecht nichts von ihr wissen wollte.
Ein paar Tage später war der eine kleine Kahlkopf verschwunden - und zwar Puppe Gerda. Trotz Annemaries ängstlichem Forschen kam sie nicht wieder zum Vorschein. Ob Klaus sie fortgenommen hatte oder am Ende gar Knecht Ruprecht - das blieb Nesthäkchen vorläufig ein Rätsel.
Puppenweihnachten
Schneller als gedacht, war Heiligabend da, der wichtigste Tag im ganzen Jahr. Knecht Ruprecht wußte nicht, wo ihm der Kopf stand. War das eine Hetze, um nur rechtzeitig mit all den Puppen und Soldaten, den Baukästen und Geschichtenbüchern auf der Erde einzutreffen. Sein Schlitten raste durch den verschneiten Winterwald. Denn Knecht Ruprecht ist ein altmodischer Mann, wenn Schnee liegt, kommt er am Heiligabend nicht im Flugzeug, sondern, wie er es von jeher gewohnt, in dem Riesenwolkenschlitten zur Erde herab.
Hinten auf dem Schlittensitz waren die Säcke voll Spielzeug verladen.
Zwei kleine Engelchen mit silberweißen Schwanpelzen und rotgefrorenen Näschen hielten daneben Wache, daß bei der eiligen Fahrt keine Puppe zu Schaden kam und kein Soldat die Flucht ergriff.
Da hörten denn die beiden Engelchen ganz deutlich, wie das in dem Sack flüsterte und wisperte. Natürlich die Puppen! Damen haben ja immer etwas zu schwatzen. »Ich komme gewiß in ein Schloß zu einer kleinen Prinzessin«, sagte die eine Puppe, die fast so groß war wie ein Kind und ein rosa Seidenkleid trug, stolz. »Die kocht mir jeden Tag meine Leibgerichte: Schokoladensuppe und Rosinenbraten mit Marzipankartoffeln!«
»Ich möchte nicht in ein Schloß kommen«, meinte eine andere Puppe, die nur ein einfaches Kattunkleidchen besaß. »Eine kleine Prinzessin, die hat ja so viele Puppen, die freut sich gar nicht so sehr über eine neue! Nein, ich möchte zu einem armen Mädchen, deren einzige ich bin.«
So sprach jede der Puppen ihre Hoffnungen aus, wohin Knecht Ruprecht sie wohl bringen werde. Die einen wollten aufs Land, weil es dort gesünder war, die anderen fanden es in der Stadt interessanter.
Nur eine Puppe schwieg und sagte keinen Ton.
»Na, und Sie, Fräulein Gerda, wohin gedenken Sie Ihre Schritte zu richten?« fragte man sie von allen Seiten.
»Ich möchte nur wieder zu meiner früheren Puppenmama zurück, von der Knecht Ruprecht mich geholt hat, um mir neue Haare wachsen zu lassen. Ich habe solche Sehnsucht nach Klein-Annemarie und die auch ganz sicherlich nach mir. Ich war ja ihr Nesthäkchen, und wir haben uns so liebgehabt, so lieb!« flüsterte die Puppe innig.
»Aber wenn Knecht Ruprecht Sie nun woanders abgibt?« fragte die stolze Puppe in dem rosa Seidenkleid.
»Dann sterbe ich sicherlich vor Sehnsucht«, seufzte die Puppe bang.
Die Engelchen draußen auf dem Schlittensitz hatten das Gespräch der Puppen deutlich gehört, und es wurde ihnen trotz der schneidenden Winterkälte warm ums Herz bei den liebevollen Worten der letzten Puppe.
»Wir werden schon dafür sorgen, daß Knecht Ruprecht dich richtig wieder zu deiner kleinen Mama Annemarie bringt, du braves Puppenkind«, sagte das eine.
Knecht Ruprecht aber ließ jetzt halten, zog sein großes Fernglas aus dem Pelz und lugte hindurch.
»Potzelement - wir müssen uns beeilen, in allen Kinderstuben hockt schon die kleine Gesellschaft an den Fenstern und schaut nach mir aus.
Himmel - da schlägt ja auch schon die
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