Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
herumhorcht, ob die Kleinen am Tage auch brav gewesen sind und schöne Weihnachtsgaben verdienen, oder ob er ihnen nur eine Rute bringen soll.
Da wurde manch kleiner Wildfang zahm; denn Knecht Ruprecht notierte alles in seinem Büchlein, jede Unart wurde da gebucht und die Weihnachtsgaben danach bemessen.
Nesthäkchen war in diesen Wochen vor Weihnachten ganz besonders artig. Selbst mit Klaus vertrug sie sich einigermaßen, damit bloß alle Weihnachtswünsche in Erfüllung gehen sollten. Fräulein Lena saß mit einem großen Bogen Papier und einem langen Bleistift am Kinderstubentisch und schrieb alle die Wünsche auf, die Annemarie ihr diktierte, damit Knecht Ruprecht nur ja keinen vergaß. »Also erst mal eine kleine Sprechstunde, wie Vater hat«, begann Nesthäkchen ihren Wunschzettel.
»Aber Annemariechen, das kann dir der Knecht Ruprecht doch nicht bringen, so was gibt es doch gar nicht für Kinder«, lachte Fräulein Lena.
»Doch - eine kleine Puppensprechstunde, und ich bin der Herr Doktor, bitte, bitte, schreibe es doch auf, Fräulein. Knecht Ruprecht, der ist doch so klug, der wird schon wissen, was ich meine«, bat die Kleine.
Also oben auf dem Zettel prangte: Eine kleine Sprechstunde.
»Dann möchte ich so schrecklich gern ein kleines Warenhaus Wertheim haben, aber mit einem richtigen Fahrstuhl und mit einem Erfrischungsraum für meine Puppen. Und ein Spielzeuglager muß auch drin sein«, wünschte Annemarie sich weiter.
»Nein, Kind, wenn du keine anderen Wünsche hast, da lacht uns ja Knecht Ruprecht aus«, wandte das Fräulein kopfschüttelnd ein.
»Na, die anderen kommen auch gleich«, tröstete Annemarie. »Einen niedlichen kleinen Puppenportier brauche ich unbedingt und einen kleinen Springbrunnen zum Aufziehen dazu. Und dann möchte Knecht Ruprecht mir doch, bitte, einen Puppenkindergarten schenken wie Tante Marthas.«
Nesthäkchen zog die Stirn kraus und überlegte angestrengt weiter.
»Und für deine Kinder wünschst du gar nichts? Du bist ja eine selbstsüchtige kleine Mutter«, half das Fräulein weiter.
»Ach, für meine Puppengören brauche ich noch ganz schrecklich viel. Für Irenchen bestelle ich mir rote Backen, für Mariannchen ein Paar neue Augen, braun sollen sie sein, und einen kleinen Regenschirm. Lolo könnte vielleicht zwei neue Daumen gebrauchen; denn ihre sind abgeschlagen, und einen weißen Federhut dazu; meinst du nicht auch, Fräulein, daß der ihr gut zu ihrem schwarzen Gesicht stehen wird? Und mein Kurt braucht zwei neue Beine, einen rechten Arm und Schlafaugen. Babychen soll kurze Kleider kriegen und Beißerchen. Diese Weihnachten wird es doch schon drei Jahre, und immer noch liegt es im Steckkissen, und hat noch keinen einzigen Zahn. Und nun noch mein Nesthäkchen. Komm, Gerdachen, was wünschst du dir denn? Sag mir's mal ins Ohr.«
Annemarie griff nach ihrer Gerda, die sie vor kurzem gebadet und mit einem Bademantel in den Puppenwagen gesteckt hatte, damit sie sich nur ja nicht erkälten sollte. Aber entsetzt ließ die Kleine ihren Liebling in die Kissen zurückgleiten.
»Fräulein - Fräulein«, ganz blaß war Annemarie vor Schreck, »komm doch bloß mal her - Gerdachen ist ja ein Kahlkopf geworden!« Unaufhaltsam flössen jetzt die Tränen über Klein-Annemaries Bäckchen.
Fräulein schlug die weiße Wagengardine zurück - wirklich, Gerda lag total verändert darin und sah ihre entsetzte Mama mit verständnislosen Augen an. Ganz klein und elend war ihr Gesicht geworden, weil die Lockenperücke fehlte. Die lag neben ihr auf dem Kopfkissen, Gerda aber hatte ein großes Loch auf dem Kopf.
»Es ist ja nicht so schlimm, Annemariechen, die Perücke ist durch das Badewasser bloß abgeweicht«, beruhigte Fräulein das aufgeregte Kind.
»Ach, meine arme Gerda«, jammert Nesthäkchen.
»Knecht Ruprecht bringt ihr neue Haare«, tröstete Fräulein liebevoll weiter, »ob sie sich vielleicht über Zöpfe freuen würde?«
»Nein, lieber Schnecken, weil sie doch jetzt schon groß ist und mit in den Kindergarten geht«, schluchzte Annemarie, noch immer betrübt.
»Also schön, dann schreibe ich auf: Haarschnecken für Puppe Gerda.
Was meinst du denn zu einer roten Sportjacke, solche, wie Großmama dir gestrickt hat, Annemarie?« fragte Fräulein, um die Kleine von ihrem Kummer abzulenken.
»Nein, lieber eine grüne«, überlegte die bekümmerte Puppenmama und weinte weiter. »Aber- aber wenn Knecht Ruprecht nun die Haarschnecken vergißt, dann muß meine arme Gerda
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