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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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kommt hier in Norddorf an, das im Norden der Insel Amrum liegt. Wittdün dagegen ist auf der Südspitze der Insel gelegen. Dorthin fahren wir jetzt erst«, erklärte ihr die Mutter.
    Während Puppe Gerda wieder Hamburg zusegelte, fuhren Annemarie und ihre Mutter mit der elektrischen Inselbahn ihrer neuen Heimat zu.
    Vorbei an niedrigen Bauernhäuschen mit merkwürdigen Giebeln und leuchtend weißen Fensterkreuzen ging die Fahrt.
    »Das sind alte Friesenhauser«, erzählte die Mutter. »Friesen sind ein altes Germanenvolk, dessen Überreste hier auf den Nordseeinseln leben. Schau, Kind, überall diese bezaubernden Durchblicke zum Meere hin - und eine Luft, so rein und staubfrei - hier mußt du dich erholen, meine Lotte. Atme mal ganz tief!« sagte Frau Braun.
    Nesthäkchen steckte den Blondkopf aus dem offenen Bahnfenster und schnüffelte gehorsam wie Puck hinaus.
    »Liefere ich dich nun erst im Kinderheim ab, Lotte, oder suche ich mir erst eine Wohnung?« überlegte die Mutter.
    »Wa-as? Du willst mich abliefern - ja, wohnen wir denn nicht zusammen, Mutti?
    Solange du hier bist, kann ich doch noch bei dir sein!« Krampfhaft umklammerte Nesthäkchen den Arm der Mutter.
    »Lotte - Lotte, du wirst doch nicht weinen, du großes Mädel. Du sollst dich in dem Kinderheim einleben, solange ich noch hier bin. Sonst weiß ich ja gar nicht, ob es dir dort gefällt.«
    »Aber wenn ich vielleicht wieder krank werde vor lauter Sehnsucht, dann läßt du mich doch nicht hier, nicht wahr? Dann nimmst du mich doch wieder mit nach Hause?« In großer Aufregung hingen die Kinderaugen an dem Gesicht der Mutter.
    »Wenn es dir ganz und gar nicht im Kinderheim gefällt, Lotte«, meinte diese zögernd, »müßte ich es in Erwägung ziehen. Denn man erholt sich nur dort, wo man sich wohl fühlt. Ich hoffe aber, daß meine große Tochter sich alle Mühe geben wird, sich gut einzuleben«, setzte sie noch ernst hinzu.
    Diese Mahnung war durchaus angebracht. Denn ihr Nesthäkchen wurde rot und sah ein bißchen unsicher an der Mutter vorbei. Das schlaue kleine Fräulein hatte sich soeben fest vorgenommen, daß es sich auf keinen Fall im Kinderheim wohlfühlen wollte. Nein - und wenn es noch so hübsch dort war. Dann würde Mutti sie wieder mit nach Berlin nehmen.
    Die Bahn hatte nun ihr Endziel erreicht. Annemarie hatte sich inzwischen dafür entschieden, wenigstens noch mit auf die Wohnungssuche zu gehen, bevor sie in ihrem »Gefängnis« abgeliefert wurde. Es war doch immerhin noch ein Aufschub.
    Auch Frau Braun behielt ihr Nesthäkchen nur zu gern noch bei sich, wurde ihr selbst die Trennung doch noch viel schwerer als dem Kinde. Durch die hübsche Villenstraße schlenderten sie und schlugen dann den Weg zu den oberhalb des Strandes gelegenen Wohnhäusern ein. Bald hatte die Mutter ein nettes Zimmer mit dem Blick auf das Meer hinaus gefunden.
    »Für das kleine Fräulein können wir noch gut ein zweites Bett hereinstellen, wir rücken den Schrank etwas zur Tür hin«, schlug die freundliche Wirtin gefällig vor.
    Annemarie sah die Mutter bettelnd an, aber diese blieb fest.
    »Nein, ich danke Ihnen schön, Frau Dietrich, aber meine Kleine kommt ins Kinderheim zu Frau Kapitän Clarsen. Sie soll mal ein ganzes Jahr lang Ihre herrliche Luft hier atmen.«
    Das ist recht - das ist recht«, nickte die Wirtin. »Kann's auch brauchen, das kleine Fräulein«, damit empfahl sie sich.
    Die Mutter packte noch ihre Reisetasche aus, dann ging es zum Kinderheim.
    Dieses lag nur drei Minuten entfernt, ebenfalls am Strande. Doch wenigstens ein Trost. Wenn es ihr nicht im Kinderheim gefiel, dann rückte sie einfach aus zu Mutti - dazu war Nesthäkchen ganz fest entschlossen.
    Nun standen sie vor dem zwischen malerischen Dünen gelegenen Hause mit dem lustigen roten Ziegeldach. Es hatte viele blanke Fenster, Balkone und Erker. Vor jedem Fenster war ein grüner Kasten mit bunten rankenden Winden angebracht.
    Über dem Eingang blitzte in der Sonne wie lauter Gold »Villa Daheim«.
    Das kleine Mädchen, das mit großen Augen seine neue Heimat in Augenschein nahm, ward eigentümlich durch diesen Namen berührt. Villa Daheim - es wollte sich ja hier gar nicht daheim fühlen. Nein, es wollte nicht!
    »Ist es nicht hübsch hier, Lotte«, die Mutter sah mit frohen Augen um sich. Der große Terrassengarten in den Sanddünen mit seiner leuchtenden Rosenpracht war so recht ein Tummelplatz für Kinder. Eine ausgedehnte Wiese mit Turngeräten, die ein Schild »Luftbad« trug.

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