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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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begannen auch eine Unterhaltung mit dem blonden Mädchen. Da fand Annemarie ihre Unbefangenheit wieder und gab frisch und frei Antwort.
    Natürlich mußte das neugierige Fräulein auch sehen, was neben und hinter ihm vorging. Ihr Kopf drehte sich bald rechts, bald links.
    Himmel, was war denn das? Der Sessel, auf dem sie saß, begann sich ja mit zu drehen - bald links, bald rechts, gerade wie das kleine Mädel. Annemarie machte ein entsetztes Gesicht, denn sie wußte nicht, daß sie auf einem Drehstuhl saß.
    »Mutti«, flüsterte sie aufgeregt, »du, Mutti, ich glaube, ich habe die Seekrankheit, es geht alles mit mir herum.« Die Tischgenossen, die die ängstlichen Worte gehört hatten, brachen in lautes Gelächter aus. Auch Mutti sagte unter herzlichem Lachen: »Du hast nicht die Seekrankheit, sondern eher die Drehkrankheit, Lotte.«
    Bald war das Essen zu Ende.
    Inzwischen hatte der Wind die Zeit benutzt, um alle Wolken und Wölkchen, deren er nur habhaft werden konnte, zusammenzutreiben. Die Sonne war verschwunden. Schweres Gewölk hing jetzt drohend über dem schwarzgrau gewordenen Meer.
    Prüfend und ein wenig sorgenvoll schauten die Reisenden in die so rasch veränderte Wasserlandschaft. Es würde doch keinen Sturm geben?
    Die Blaujacken, die als Eingeweihte befragt wurden, beruhigten die Herrschaften.
    Ja, das war manchmal so. Bald würde die Sonne wieder scheinen. Das änderte sich oft von Minute zu Minute.
    Nun, es änderte sich, aber - es wurde schlimmer, statt besser. Der Wind wuchs zum gewaltigen Sturm. Hui -wirbelte er die Hüte und Mützen der Reisenden über das Deck.
    Das war lustig! Für so was war Nesthäkchen zu haben. Jauchzend beteiligte es sich an der wilden Jagd. Aber nicht lange dauerte die Freude. Denn auch die niedlichen Wellen hatten sich inzwischen in gewaltige brandende Riesenwogen verwandelt. Wie einen Fangball warfen sie das große Schiff hin und her.
    Hin und her - jetzt flog man in die Höhe, nun stürzte man wieder zur Tiefe. Starke Männer mußten sich an dem Schiffsgitter halten, um nicht über Bord geworfen zu werden. Wie Betrunkene taumelten die Menschen der Treppe zu, um windgeschützte Räume aufzusuchen. Hier und da wurden seekrank gewordene Passagiere von hilfsbereitem Schiffspersonal hinuntergeführt.
    Frau Braun, deren Gesicht plötzlich bleich und elend aussah, wollte ihr Töchterchen ebenfalls mit nach unten ziehen.
    »Wenn ick Ihn' raten sull, dann laten se dat bliwen, gnädige Frau«, mischte sich der Matrose Willem ein, der bei seiner kleinen Freundin geblieben war, um für alle Fälle zur Hand zu sein. »Sie machen dat viel better (besser) hier oben in de frische Luft dorch. Unten wird Ihn' höllschen hundsmiserablig zumut'.«
    »Ach ja, Muttichen, es ist so fein hier«, bat auch Annemaries Stimmchen, von Sturmesbrausen übertönt. Mit glänzenden Augen und wildzerzausten Haaren klammerte sie sich an das Geländer. Noch machte ihr die Sache Spaß.
    Aber nicht mehr lange. Ein Reisender nach dem anderen wurde von der Seekrankheit ergriffen. Mit grünlichgrauer Gesichtsfarbe ruhten sie fröstelnd und sterbenselend in ihren Liegestühlen. Bald wurde auch Nesthäkchen, von ihrem Freund Willem sorglich mit warmen Decken zugedeckt, in solch einen Stuhl gebettet. Es war der armen Annemarie ganz jammervoll zumute. Sie sah nichts als tanzende Wellen, taumelnde Dinge. Frau Braun aber fühlte sich so elend, daß sie sich kaum um ihr Kind kümmern konnte.
    Als die »Königin Luise« gegen Abend endlich an der Insel Amrum anlief, war nur eine einzige von all ihren Passagieren von der Seekrankheit verschont geblieben.
    Das war Puppe Gerda in der Tranmanteltasche des Matrosen.

In der neuen Heimat
     
    Sobald Frau Braun und ihr Töchterchen den Fuß wieder an Land gesetzt hatten, war ihnen besser zumute. Allerdings mochten sie heute abend nichts mehr sehen und hören. Sie hatten nur den einen Wunsch, sich möglichst schnell ins Bett zu legen und zu schlafen - schlafen.
    In dem erstbesten Hotel nahm die Mutter ein Zimmer. Und bald schliefen sie alle beide den Schrecken des überstandenen Sturmes und der abscheulichen Seekrankheit aus.
    Am andern Morgen erwachte Annemarie von einem merkwürdigen Geräusch.
    Lautes Rauschen und Brausen erfüllte die Luft. Annemarie sprang ans Fenster.
    »Mutti, das Meer macht einen Mordsskandal - und heute bin ich kein bißchen seekrank mehr - ach Muttichen, um Himmels willen, es ist etwas ganz Schreckliches passiert.« Plötzlich hielt Annemarie

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