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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Laut - nur das Meer da draußen rauschte und brauste.
    Ein wenig beklommen zumute wurde es Nesthäkchen trotz aller Beherztheit doch durch diese Stille in der fremden Umgebung. Selbst unten in der Küche hörte man noch kein Klappern. Kein Mädchen ließ sich sehen.
    Annemarie schlich zur Haustür. Ein feiner Gedanke war ihr soeben gekommen.
    Sie wollte zu ihrer Mutti und diese mit einem Kuß wecken. Hatte Miß John nicht gestern gesagt, sie solle ihrer Mutti heute zwei »Kusse« zum Guten Morgen geben?
    Solche Bosheit - die Haustür war verschlossen.
    Aber wofür war Nesthäkchen denn die Schwester des wilden Klaus und seine treue Genossin bei allen dummen Streichen? Dort war ja ein offenes Fenster zum Garten hinaus, gar nicht hoch schien es.
    Hast du nicht gesehen, kletterte Annemarie auf das Fensterbrett - hurra - ein kühner Sprung und sie stand unten in dem taufeuchten Garten. Die Kleine fröstelte in ihrem offenen Kleide, denn die Sonne erhob sich eben erst verschlafen aus ihrem Wolkenbettchen. Und der frühe neblige Morgen ist ebenso kalt an der See wie der Abend. Auch das Barfußlaufen erschien ihr ein nur mäßiges Vergnügen in dem naßkalten Sande.
    Ob sie nun schnell zu Mutti hinlief? Aber am Ende war Mutti ärgerlich, daß sie mit offenem Kleid über die Straße rannte? Vielleicht wollte Mutti auch noch schlafen, besser war schon, sie wartete noch ein bißchen. Denn die Straße und der dunstige Strand, auf den man hinabblicken konnte, lag noch wie ausgestorben da.
    Ganz Wittdün schlief noch.
    Ganz Wittdün - ei, doch nicht! Als Annemarie jetzt zu dem Spielplatz kam, der es ihr schon gestern angetan hatte, und die großen Bälle nach allen Richtungen hin auseinander zu jagen begann, hob sich plötzlich aus den Gemüsebeeten hinter dem Haus ein merkwürdiger Kopf.
    Braun und verschrumpelt war er wie eine vertrocknete Birne. Kein Haar war auf ihm zu sehen, eine seltsame schwarze Haube ging fast bis in die Stirn hinein.
    Annemarie stand und starrte die Erscheinung mit offenem Mund an. Ihr erster Gedanke war fortzulaufen. Alle Märchen, die sie gelesen hatte von Frau Holle, von der Hexe aus Hansel und Gretel, von der bösen Fee in Dornröschen und von Zwerg Nase, sie wurden plötzlich beim Anblick der Alten in der Kleinen lebendig. Aber weglaufen - nein!
    »Nanu, wo kommst du denn her?« fragte die Alte.
    »Dort aus Villa Daheim«, gab sie so keck wie möglich zur Antwort.
    »Aus der Villa - i, da schläft doch noch allens«, verwunderte sich die verschrumpelte Alte. Das klang eigentlich ganz menschlich.
    »Ja, ich bin ausgekniffen - durch das Fenster…«
    »Kind - Kind - du kannst dich ja up 'n Dot verkühlen, du bist gewiß die lütte Deern, die gestern erwartet wurde?« Das kam so freundlich heraus, daß Annemarie gar nicht mehr verstand, daß sie sich vor der alten Frau zuerst gefürchtet hatte.
    »Wer sind Sie denn?« fragte sie zutraulich.
    »Ick bün jo oll Modder Antje, mich kennt hier jedes Gör up (auf) Wittdün, die einheim'schen wie die fremden. Ick hab' schon die Modder selig von uns' Frau Kaptän up min Armen tragen. Dann hab' ick min Ollschen heirat, und als dat Unglück kam bei de Fru Kaptän, dat ihr smuckes blondes Haar in einer Nacht sneeweiß makt (gemacht) hat, da sünd wir allebeid', min Ollscher und ick, denn allwedder zu ihr gangen. Will's uns' Herrgott bet tau (bis zu) unserm seligen End'.«
    Mutter Antje gab sich alle Mühe, statt ihres friesischen Plattdeutsch möglichst Hochdeutsch zu sprechen, daß die Kleine sie verstand.
    »Welches Unglück?« Annemarie spitzte beide Ohren. Nun sollte sie es erfahren, warum die junge Frau Clarsen schneeweißes Haar wie die Großmutter hatte.
    »Nee, min Deern, nee! Du verkühlst dich hier buten (draußen) bei die feuchten Morgennebels. Die sünd nix nich für so 'ne lütte Stadtdeerns. Und nich mal Schuhe! Kumm, Kind, kumm mit ins Hus (Haus), dat du erst 'n Schluck Warmes in'n Leib kriegst.« Mutter Antje raffte ihre Gartengerätschaften zusammen.
    »Das Haus ist ja verschlossen - können Sie denn auch durchs Fenster reinklettern?« fragte Annemarie zweifelnd, auf die schwerfällig sich bewegende Alte blickend.
    »Nee, min Deern, dazu sünd min Knochens all zu steif. Ick mein' nich die Villa, nee, unser lütt Hus (kleines Haus), dat uns die Fru Kaptän hier im Garten hat bauen laten (lassen).«
    Richtig - ganz hinten am Ende der ausgedehnten Gartenanlagen stand ein sauberes Friesenhäuschen mit niedrigen Mauern und hohem Dach. Ob sie's wagen

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