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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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sollte, mitzugehen? Die alte Frau in »Zwerg Nase« hatte den kleinen Jakob auch in ihr Haus gelockt und ihn dann in ein Meerschweinchen verwandelt. Aber Mutter Antje hatte so gute, blaue Vergißmeinnichtaugen, nein, es war ja dämlich von ihr, sich zu fürchten.
    Beherzt stapfte das barfüßige Mädel an der Seite der alten Frau dem netten Häuschen zu. Wie fein Mutter Antje angezogen war! Einen faltigen, schwarzen Rock trug sie, dazu eine bunte Blümchentaille, und eine große, schneeweiße Schürze.
    »Sind Sie vielleicht eine Spreewälderin?« erkundigte sich die kleine Berlinerin.
    Nesthäkchen kannte sie gut, die Kindermädchen in Bauerntracht, die Baby und Kinderwagen im Tiergarten spazierenfuhren.
    »Nee, ick bün Friesin - so, min lütt Deern, nu tritt in; und willkummen bei oll Modder Antje«, treuherzig reichte sie der Kleinen ihre Hand.
    Ach, war das schön bei Mutter Antje! Das blitzsaubere Zimmer hatte Wände aus vielen bunten Kacheln. Es hingen viele Schiffsbilder an den Wänden. Nein, und wie drollig- die Betten waren ja in die Wand eingebaut. Eine schöne, dunkle Holztäfelung ging ringsherum, und ein großblumiger Vorhang verbarg sie. Oben drüber waren lauter blanke Zinnteller aufgestellt.
    »So, min lütt Deern, da hast mal erst ein Paar warme Strümp«, die Alte nahm aus der schön geschnitzten Truhe selbstgestrickte Wollstrümpfe in himmelblauer Farbe.
    Annemarie lachte hellauf. »Da kann ich ja mit beiden Füßen in einen rein.«
    »Ja, die Beinken sünd 'n büschen lütt für die Strümp, aber schadet nix, min Deern, wärmen dun se doch. Nu man fixing noch 'n Schluck Warmes in 'n Leib.«
    Diesmal ging Mutter Antje an die Kachelwand - herrje - die ließ sich öffnen, das war ja ein richtiger Schrank, der in die Wand eingelassen war.
    »Oll Modder Antje hat wat für dat lütte Süßsnuteken«, sie goß Milch in die kleine Kasserolle und trug sie in die Küche nebenan.
    Annemarie machte ein wenig erbautes Gesicht. Milch mußte sie drüben in der Villa gerade genug trinken. Aber da kam Mutter Antje schon zurück, in den Händen trug sie eine alte Bauerntasse mit Myrtenzweigen und Goldschrift.
    »Dat is min Bruttass', die is al öwer föfting Johr (fünfzig Jahr) alt«, sie stellte die schöne Tasse vor ihren kleinen Gast.
    Hm - Schokolade! Naschmäulchen ließ es sich schmecken.
    »Da, min Deern, da hast ok 'n Friesenkuchen tau (zu), die kann keins so backen wie oll Modder Antje«; die gute Alte sah mit Freuden, wie es ihrem kleinen Besuch mundete.
    War es hier nicht wirklich wie im Märchen? Dort in der Ecke stand ja auch noch ein Spinnrad - ganz wie in dem Dornröschenturm.
    »Wo ist denn Ihr Mann, Mutter Antje?« erkundigte sich die Kleine.
    »Derisup See.«
    »Ist er Kapitän?«
    »Nee, soweit hat's min oll Vadder Hinrich nich gebracht, Lotse is er…«
    »Lotse - was ist denn das?« Nesthäkchen hatte dieses merkwürdige Wort noch nie gehört.
    »Je, wat 'n Lotse is, dat is man eben 'n Lotse. Dat sünd die Allertapfersten hier an de Nordsee. Bei Sturm und Nacht fahren sie, ohn' an dat eigene Leben tau denken, in die wilden Wogens rut (raus) und führen die Schiffs, die in Gefahr sünd, sicher durch alle Klippen und Riffs bet (bis) in den Hafen. Er muß bald wedder do sein, oll Vadder Hinrich, die Uhr is all Klockner sechsen.«
    »Was - so früh is es noch?« Da war sie ja vor Tau und Tag ausgekniffen! Inzwischen hatte Annemarie ihre Schokolade ausgetrunken. Da fiel ihr etwas ein.
    »Wie kam das eigentlich mit dem Unglück von der Frau Kapitän, Mutter Antje?« forschte die Kleine begierig.
    »Je, wie sowas manchmal kummt. 'Ne dolle Sturmnacht war't, da is dat Schiff mit Mann und Maus versoffen. Nich hier an unsere Küste, hier hätten unsere braven Lotsen es woll gerettet. Nee, da draußen war't irgendwo«, die Alte machte mit dem braunen Kinn eine Bewegung in die Luft hinein.
    »Und dann?« Annemaries Augen hingen an den Lippen der alten Frau, die jetzt in Erinnerungen versunken, eine Pause machte.
    »Je, wat is da noch viel tau verteilen (zu erzählen) ? Als de Nachricht von dem Dod des Herrn Kaptän kam, da is in der einen Nacht dat Haar von uns' Fru vor Gram weiß geworden. Und als denn ok ihr lütter Jung noch starb, da hat sie sich fremde Kinners in dat Hus genommen, um wat für't Herz zu haben. Aber dat sünd keine Geschichtens für so lütte Deerns. Oll Modder Antje erzählt dem Kinning lieber mal Märchen von de Onnerbankjes, wenn et mal regnen dut.«
    »Von den Onnerbankjes?«

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