Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg
Rinderbraten heißt’s«, schrie Annemarie und hielt auch schon ihren Feldgrauen hin.
»Was - » Hanne stemmte empört die roten Hände in die breiten Hüften. »Was - so’n Kiekindiewelt will mich sagen, daß dies hier kein Roastbeef is? An die zwanzig Jahr koch‘ ich nu schon, da werd‘ ich doch woll ‚n Roastbeef von’n Rinderbraten unterscheiden können. Und ‚Tunke‘ nennt sie meine pikfeine Sahnensoße!« Hanne konnte sich lange nicht beruhigen. Sie dachte gar nicht daran, dem Feldgrauen das Strafgeld zu entrichten.
Auch die andern mußten ihren Beitrag liefern. Trotzdem Fräulein behauptete. »Na, mich fängst du nicht, Annemiechen!«
Klaus erzählte strahlend, daß er bloß zwei Fehler im Mathematikertemporal habe. Da mußte er seinen außergewöhnlichen Fleiß mit einem Sechser bezahlen. Er behauptete zwar, das verstehe kein Mädchen, im Gymnasium heiße es eben Ertemporal. Aber Hans war auf Seiten der Schwester. Auch im Gymmasium konnte man genau so gut »Klassenarbeit« schreiben.
»Also ziehe nur dein Portemonnaie und berappe, mein Söhnchen«, lachte der Große.
»Du auch - du auch, Hänschen«, Annemarie klatschte jubelnd in die Hände. »Wir sagen jetzt ‚Geldtasche‘ und nicht Portemonnaie.« In ihrer Ausgelassenheit sprang sie noch ehe Gesegnete Mahlzeit gewünscht war, vom Tisch.
»Annemarie, leg‘ erst deine Serviette zusammen«, rief Fräulein hinter dem Wildfang her.
»Nee, Fräulein, meine Serviette lege ich bestimmt nicht zusammen - aber mein Mundtuch«, setzte Nesthäkchen schnell lachend hinzu, als es Fräuleins unzufriedene Miene sah. »Siehst du, geliebtes Fräulein, nun habe ich dich gefangen!«
Den Hauptbeitrag zur Fremdwortkasse aber hatte die arme Großmama zuzusteuern.
Was - auf ihre alten Tage sollte sie noch umlernen? Das konnte kein Mensch von ihr verlangen. Sie ordnete die Blumen in eine Vase, wie sie das ihr Leben lang getan und nicht in ein Blumengefäß, wie ihr patriotisches Enkelchen es verlangte. Sie ließ die Jalousie über dem sonnigen Balkon herunter, wenn der Grünschnabel auch behauptete, man müsse jetzt das Zeltdach über den Vorbau herablassen. Und die Chaiselongue, aus der Großmama nach Tisch ihr Schläfchen zu machen pflegte, die wurde im Leben kein Liegestuhl trotz Nesthäkchens eifrigsten Bemühungen.
Als Tante Albertinchen mit den grauen Ringellöckchen nachmittags erschien, bekam Großmama wenigstens eine Leidensgefährtin.
»Ich habe eben den Klaus mit der Botanisiertrommel getroffen, er macht wohl eine Landpartie?« fragte die Tante nach der ersten Begrüßung.
»Haach - Tante Albertinchen, du mußt einen Groschen in meine Fremdwortkasse zahlen. Landpartie - pfui - Ausflug heißt es jetzt und Pflanzentrommel!« Damit umsprang Nesthäkchen die alte Tante patriotisch.
Die gute Tante Albertinchen wußte gar nicht, was los sei, sie machte ganz entsetzte Augen.
»Das Kind quält mich heute bereits den ganzen Tag mit ihrer Fremdwortantipathie, ich bin schon ganz mürbe«, lachte Großmama.
Auch Resthäkchen lachte mit dem schelmischsten Gesicht von der Welt.
»Antipathie, Großmuttchen? Na, laß nur, du brauchst heute nichts mehr zu bezahlen, du hast schon so schrecklich viel blechen müssen«, setzte das Enkeltöchterchen mitleidig hinzu.
Aber Großmama wollte keinen »Pardon« und - mußte nun sogar zehn Pfennige bezahlen.
Tante Albertinchen lachte so herzlich, daß es aussah, als ob alle ihre grauen Löckchen mitlachten. »Ei, da hole mir mal meinen Pompadour, mein Liebling, er liegt neben meiner Mantille, damit ich meine Strafe abbüßen kann.«
»Pompadour - Beutel!« Die zarte Tante Albertinchen fuhr ordentlich vor Schreck zusammen, so trompetete Nesthäkchen. »Und Mantille ist auch bestimmt ein Fremdwort, man kann ebensogut Umhang sagen.«
»Wollen mal sehen, ob der Kondukteur mir noch so viel Kleingeld gelassen hat.« Wieder mußte die arme Tante Albertinchen zusammenzucken, denn den »Kondukteur« ließ Nesthäkchen trotz der Tafel Schokolade, welche die gute, alte Tante aus ihrem »Beutel« hervorzog, nicht durchgehen.
»Weißt du, Herzchen, du kannst etwas von Lemke holen, Fräulein weiß schon Bescheid«, Großmama machte eine verabschiedende Bewegung zu dem kleinen Mädchen. So lieb sie Nesthäkchen auch hatte, heute fiel es ihr wirklich aus die Nerven.
Da Lemke der nebenan wohnende Konditor oder vielmehr Zuckerbäcker war, nahm Annemarie die Verabschiedung nicht weiter übel.
»Also sechs Eisbaisers, Annemiechen«,
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