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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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deutsches Mädchen, und die Sprache unserer Feinde will ich nicht mehr lernen!« temperamentvoll warf Annemarie den Kopf mit den kurzen Blondzöpfen zurück.
    »Wir auch nicht - wir wollen auch nicht mehr französische Stunde haben!« Hier und da erschallte es von einer besonders Mutigen.
    Marlene und Ilse traten sogar vor und stellten sich Annemarie zur Seite.
    In dem eben noch so ernsten Gesicht des Lehrers begann es belustigt zu zucken. Er blickte auf die rebellische Mädchenschar und freute sich heimlich über ihre begeisterte Vaterlandsliebe, die sie zu diesem, wenn auch kindischen Wunsche getrieben.
    »Also ihr wollt keine französische Stunde mehr haben, schön - glaubt ihr, daß Deutschland Frankreich dadurch eine Stunde früher besiegen wird?« sragte er ruhig.
    Die Kinder schwiegen.
    »Nutzt ihr unserem Vaterlande oder unseren tapferen Truppen damit, wenn ihr die feindliche Sprache nicht lernt?« fragte der Lehrer weiter.
    Bestürzt sahen sich die Schülerinnen an - nein, sie nützten damit keinem einzigen, höchstens sich selbst, daß sie sich nicht mit den unregelmäßigen Verben abzuquälen brauchten.
    »Im Gegenteil, ihr schadet eurem Vaterlande dadurch, und auch euch selbst schadet ihr«, sagte da der Lehrer ernst. »Jawohl, wenn ihr mich auch so ungläubig anseht, Kinder. Deutschland verlangt eine gebildete Jugend, in dieser großen Zeit darf keine Kraft brach gelegt werden. Der Krieg wird hoffentlich nicht lange währen, im Frieden knüpfen sich wieder geistige und Handelsbeziehungen zwischen den verschiedenen Völkern an. Denkt nur mal, was für Folgen sich daraus ergeben würden, wenn die deutschen Mädchen nicht mehr Französisch und Englisch lernen wurden. Keine von euch könnte später ihr Lehrerinnenexamen machen oder studieren. Keine könnte einen kaufmännischen Beruf ergreifen, denn französische und englische Korrespondenz ist ein wichtiges Fach desselben. Alle diese Kräfte würden dem Vaterlande entzogen. Aber auch abgesehen vom Beruf, ihr würdet ungebildet bleiben, denn Sprackenntnisse gehören zur Bildung. Ihr kämet um den Genuß, die fremden Länder kennen zu lernen, da ihr euch dort nicht verständigen könnt. Wer sein Vaterland lieb hat, der zeige es in dieser großen Zeit durch doppelten Fleiß und Eifer.« So sprach der kluge Lehrer und schlug die französische Grammatik auf.
    Und die aufrührerischen Mädel sahen ihre Torheit ein und gaben sich grenzenlose Mühe, ihre Vaterlandsliebe durch Fleiß und Aufmerksamkeit zu beweisen.
    Selbst Annemarie Braun befreundete sich wieder mit den »eiligen« unregelmäßigen Verben. Aber beim Nachauseweg konnte sie es sich doch nicht versagen, vor den Freundinnen ihrer Meinung Ausdruck zu geben. »Wenn unsere Feldgrauen ganz Frankreich erobern, dann wird da überhaupt bloß noch deutsch gesprochen, und wir haben umsonst Französisch gelernt!« Aber diesmal fand sie weniger lebhafte Zustimmung. Die eindringlichen Worte des Herrn Professors hallten noch in den Mädchenherzen nach.
    Um so eifriger nahm man Ilses Vorschlag an, eine Fremdwortkasse in der Klasse einzurichten. Für jedes Fremdwort außerhalb der Sprachstunden war fünf Pfennige zu entrichten. Das Geld wollte man später zu Weihnachtsgaben für das in ihrer ehemaligen Schule eingerichtete Lazarett verwenden.
    Auch zu Hause sollte eine jede Schülerin solch eine Fremdwortkasse einrichten und das Geld zu Liebesgaben verwenden.
    »Au fein, Großmama sagt immer ‚adieu‘ da muß sie jedesmal fünf Pfennige bezahlen. Und Tante Albertinchen braucht überhaupt so viele Fremdworte, das haben alte Leute, glaube ich, so an sich. Wenn Tante Albertinchen doch recht bald käme!« rief Annemarie hoffnungsvoll.
    Von nun war keiner im Hause mehr vor Nesthäkchen sicher. Wie ein Polizeihund paßte es auf, daß kein unerlaubtes Fremdwort entschlüpfte.
    Dabei füllte sich ihre Kasse, die einen niedlichen feldgrauen Landwehrmann darstellte. Ein einziges Mittagbrot hatte allein schon fünfzig Pfennige eingebracht.
    »Hanne, lassen Sie die übrig gebliebene Suppe in der Terrine«, sagte die Großmama.
    »Hurra - fürs Pfennige!« brüllte Nesthäkchen zu Großmamas Schreck dazwischen, »es heißt Suppenschüssel.«
    Hanne brachte den Braten.
    »Die Sahnensoße zu das Roastbeef ist heut‘ pikfein jeraten«, die alte Köchin durfte sich schon ein Wort gestatten.
    »Hanne einen Groschen - einen Sechser für ,Soße‘, denn ein guter Deutscher sagt ‚Tunke‘ und den zweiten für ‚Roastbeef‘,

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