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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Hintenansetzung seiner eigenen Person. Das war für den Obersekundaner wenigstens ein kleiner Ersatz dafür, daß er selbst noch nicht mit ins Feld hinausdurfte, wie er es nur zu gern wollte.
    Die mitfühlende Großmama hatte jedesmal Tränen in den Augen, wenn sie von dem Elend der Geflüchteten hörte. Sie half und gab, wo sie nur konnte.
    Klaus und Annemaries Teilnahme war, wie das bei Kindern der Fall zu sein pflegt, mit Neugierde und dem Interesse an dem Abenteuerlichen untermischt. Aber auch Klaus opferte seinen letzten Groschen, der eigentlich vernascht werden sollte, für die Ostpreußen. Nesthäkchen jedoch bestimmte den Inhalt ihrer Fremdwortkasse, die schon allen möglichen guten Zwecken hatte dienen sollen, jetzt endgültig für die armen Flüchtlinge.
    Wie die Zeppeline jetzt Antwerpen mit Bomben belegten, so bombardierten die jüngeren Geschwister den großen Bruder mit ihren Fragen.
    »Erzähle doch, Hans, was macht ihr Pfadfinder eigentlich da auf der neu eingerichteten Flüchtlingsstation am Bahnhof?« begehrte Klaus zu wissen, der mit heimlichem Neid auf die Tätigkeit des Großen blickte.
    »Da nehmen wir mit einer Roten-Kreuz-Schwester zusammen die Namen der ankommenden Flüchtlinge auf, ihren früheren Wohnort und ihr Reiseziel.«
    »Seid ihr aber neugierig, wozu denn bloß?«
    »Täglich kommen Anfragen von Verwandten der Flüchtlinge, ob der eine oder die andere schon durch Berlin durchgekommen ist. Da müssen wir Pfadfinder natürlich Bescheid wissen und Auskunft geben können. Diese Familien sind in dem Tumult der Flucht, der fürchterlichen Überfüllung der Züge, voneinander gerissen und getrennt worden. Die holen sich ebenfalls bei uns Auskunft über den Verbleib ihrer Angehörigen. Manche haben Verwandte in Berlin, zu denen wir Pfadfinder sie führen müssen, denn die ostpreußischen Bauern, die kaum jemals ihre Heimatscholle verlassen haben, finden sich doch in dem großen Berlin nicht zurecht. Wir bringen die Flüchtlinge von einem Bahnhof zum andern, wenn sie weiterreisen, oder wir rufen auch ihre hiesigen Verwandten herbei, die sie vielleicht gern während ihres kurzen Aufenthaltes in Berlin sprechen wollen. Die Obdachlosen bringen wir in das Unterkunftshaus. Wir helfen die Hungernden speisen, verteilen die gespendeten Lebensmittel und Kleidungsstücke. Denn die Not ist entsetzlich. Oft haben die Leute keinen Rock auf dem Leibe. Kinder sind manchmal, in sinnloser Angst vor den Kosaken, im Hemd aus den Betten gerissen worden und müssen nun hier erst eingekleidet werden. Für all das haben wir mit Sorge zu tragen. Der Pfadfinder ist eben Mädchen für alles!« Der Obersekundaner lachte über seinen Witz, trotzdem die Erinnerung an all das geschaute Elend ihm nahe gegangen war.
    Großmama sah traurig vor sich nieder. Wieviel Menschenglück vernichtete dieser unselige Krieg! Ach, daß er bald siegreich beendet wäre! Klaus hatte mit blitzenden Augen gelauscht, ach, wie er den Hans beneidete! Aber in zwei Jahren war er auch so weit, um dem Pfadfinderbunde anzugehören - wenn der Krieg doch bloß noch so lange dauern wurde! So standen sich die einsichtigen Wünsche des Alters und die törichten der Jugend gerade gegenüber.
    Nesthäkchen hatte leise das Zimmer verlassen, die großen Brüder sollten nicht sehen, daß es Tränen in den Augen hatte, denn es gab jedesmal Neckereien, wenn Annemarie mal weinte. Besonders Klaus tat sich rühmlichst dabei hervor. Heute hätte aber auch er sein Schwesterchen wahrscheinlich in Frieden gelassen, galten doch ihre Tränen fremdem Unglück.
    Fräulein rief nach dem kleinen Mädchen.
    »Annemie, du hast ja noch gar nicht fertiggegessen. Hier ist noch ein Ei für dich, und deine Schinkenstüllchen liegen ja auch noch da - wo steckst du denn bloß?«
    Da trocknete Nesthäkchen geschwind die verräterischen Tränen und kam wieder zum Vorschein. Es warf einen Blick aus den noch immer mit allerhand guten Sachen voll besetzten Tisch, trotzdem die ewig hungrigen Jungenmägen der Brüder schon ihr möglichstes geleistet hatten. Wieviel kleine Ostpreußenkinder konnten davon noch satt werden!
    »Fräulein, ich kann nicht mehr essen - ich habe wirklich schon genug!« beteuerte Annemarie. Dann wandte sie sich an die Großmama, deren gütiges Herz sich ja schon so oft bewiesen hatte. »Liebes, einziges Großmuttchen, darf ich dem Hans nicht mein Abendbrot für die hungrigen Ostpreußenkinder mitgeben? Ich habe ja soviel heute mittag zu essen bekommen. Und die

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