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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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aus der Schule kamen. Nein, sie war ärgerlich, daß »ihr Kind« nicht ordentlich in Ruhe ihr Mittagbrot aß. Das hätte Annemarie nun eigentlich ganz gut gekonnt, denn das Essen stand jeden Tag pünktlich auf dem Tisch. Wenn sie nur nicht solch ein aufgeregtes kleines Ding gewesen wäre. Sie hatte keine Ruhe, vor der Schule zu essen, und wenn Fräulein oder Großmama sich nicht daneben setzte, blieb sicherlich die Hälfte aus dem Teller.
    Ganz anders war es jetzt in der Schule. Nicht nur die Räume, auch im Unterricht selbst war vieles verändert. Ein großer Teil der Lehrerschaft war dem Rufe zu den Waffen gefolgt. Auch der Direktor hatte sich freiwillig gemeldet. Der alte Professor Herwig hatte die Schulleitung statt seiner übernommen.
    Es war nicht immer leicht, das kleine Mädchenreich jetzt zu regieren. Abgesehen von der Schwierigkeit der Stundenbesetzung, waren die Mädel durch die Kriegsereignisse und die lange Ferienzeit so ziemlich aus Rand und Band. Auch die Nachmittagsschule mußte sich erst einbürgern, vorläufig wurde sie noch gar nicht richtig ernst genommen. In den blonden und dunklen Mädchenköpfen spukten Kanonendonner und Schützengräben, Liebesgaben, Feldpostkarten und Extrablätter wild durcheinander. Da blieben wenig Gedanken für Konjunktiv und unregelmäßige Verben.
    Auch die Volksschule paßte so manchem kleinen Fräulein nicht.
    »Ich schäme mich tot«, hatte Ilse Hermann am ersten Tage beim Nachauseweg zu ihren Freundinnen geäußert. »Drüben wohnt Hildegard von Meißen aus dem Mädchengymnasium. Wenn die jetzt bloß nicht sehn, daß ich in eine Gemeindeschule gehe.«
    »Quatsch, du gehst doch gar nicht in die Gemeindeschule, wir sind doch nur auf Besuch da«, meinte Marianne.
    »Und du hast überhaupt ‚n Piepmatz, die Kinder aus der Gemeindeschule sind auch nicht schlechter als wir«, rief Marlene.
    »Ja, im Schützengraben kämpft doch auch jetzt reich und arm nebeneinander«, ließ sich die verständige Margot hören.
    »Unser Kaiser hat überhaupt gesagt, ,es gibt reine Parteien mehr‘, das heißt, alle Menschen sind jetzt gleich«, regte sich Marlene von neuem auf.
    Und Annemarie, sonst die lebhafteste bei derartigen Unterhaltungen schwieg heute? Wurde nur rot, und tat so, als ob sie sich angelegentlich die Milckannen und den weißen Käse in dem Milchgeschäft ansah, vor dem sie gerade standen? Trotzdem dieselben sie doch gar nicht interessierten.
    Doktors Nesthäkchen fühlte sich gleichfalls durch die Worte der Freundinnen getroffen. Es war Annemarie insgeheim auch höchst peinlich gewesen, in die Volksschule zu gehen. Unweit an der Ecke war das Gymnasium von Klaus. Wenn dessen Freunde sie nun für eine Gemeindeschülerin hielten!
    Aber Marlenes Worte hatten ihr gezeigt, wie dumm und hochmütig sie gewesen. Von nun an wollte sie sich nie wieder mehr dünken als ärmere Kinder!
    In der Pause vor der französischen Stunde hatte Doktors Nesthäkchen am nächsten Tage dafür aber wieder den größten Mund.
    »Nein, ich nehme bestimmt nicht mehr Französisch mit! Wozu sollen wir uns denn mit den unregelmäßigen Verben herumquälen. Dazu bin ich überhaupt viel zu vaterlandsliebend!« rief Annemarie Braun lebhaft.
    »Aber Annemie, Französisch ist doch im Stundenplan festgesetzt, also mußt du es doch lernen«, versuchte Margot sie zu überreden.
    »Ist mir ganz piepe, ich lasse mich einfach dispensieren«, trumpfte der Blondkopf aus.
    »Wir wollen auch keine französische Stunde mehr haben - wir sind ebenso vaterlandsliebend wie du!« rief Marlene.
    »Ja - ja - deutsche Mädchen lernen nicht mehr. Französisch», fiel die Klasse in wildem Tumult ein.
    »Nanu, was ist denn hier für ein ungehöriger Lärm!« Prosessor Möbus, der französische Lehrer, betrat stirnrunzelnd die Klasse. Tiefes Schweigen. Keine von den Schülerinnen wagte sich jetzt hervor. Jede verbarg das Gesicht möglichst tief in der verpönten französischen Grammatik.
    Nur Annemarie Braun kuschte nicht. Nein, ein deutsches Mädel war nicht feige. Mit freiem Blick trat sie vor.
    »Herr Doktor, ich bitte Sie, mich von der französischen Stunde dispensieren zu wollen«, bat sie laut.
    Donnerschock -- die Mitschülerinnen blickten voll Bewunderung auf das kecke Mädel. Der durch das Stirnrunzeln des Lehrers geschwundene Mut wagte sich auch bei den andern wieder hervor.
    Professor Möbus blickte seine Schülerin an, als ob sie nicht ganz richtig im Kopf sei.
    »Bist du krank?«
    »Nein, aber ich bin ein

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