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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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worden!«
    »Was - was ist los - - - » im Nu war Fräulein ermuntert. »Hast du jemand gehört oder gesehen, Annemie - sind Kostbarkeiten entwendet - wir müssen sofort die Polizei benachrichtigen!« Entsetzt sprang Fräulein aus dem Bett.
    »Wo hast du jemand gehört, Annemie?« Fräulein flog vor Aufregung an allen Gliedern.
    »Nirgends, Fräulein«, Nesthäkchen wagte nicht laut zu sprechen, denn die Diebe konnten ja noch in der Wohnung sein. »Aber es ist bestimmt gestohlen worden - alle meine Wäsche und Kleider, die ich für die Ostpreußen geben wollte, haben sie mitgenommen.«
    Da sah Fräulein das kleine Mädchen verdutzt on, und dann brach sie in ein lautes Gelächter aus.
    Ja, hatte denn Fräulein am Ende vor Schreck den Verstand verloren? Sowas sollte manchmal vorkommen - wenn die Einbrecher sie nun hörten!
    »Kind - Annemie -- was bist du für ein Dummchen, mir solchen Schreck einzujagen! Die schönen Kleider, die du alle herausgerissen hast, habe ich selbst gestern abend wieder, wie sich’s gehört, in den Schrank geräumt. Laß dir das bloß nicht noch einmal einfallen, alle deine Sachen hier herumzustreuen!« Jetzt lachte Fräulein nicht mehr.
    »Die sollten doch für die Flüchtlingskinder sein«, Nesthäkchen atmete aber doch ans, daß es keine Diebe gewesen waren, die ihnen einen Besuch abgestattet hatten.
    »Nun sag‘ bloß mal, Annemie, was sollen die armen Kinderchen wohl mit deinen Stickereikleidern, Schärpen und weißen Hüten anfangen? Das ist doch alles viel zu unpraktisch für sie. Die haben keine Hanne, die für sie wäscht und plättet.«
    »Aber die Wäsche und Stiefel sind doch praktisch, die hättest du wenigstens draußen lassen können, Fräulein«, das kleine Mädchen war durchaus nicht überzeugt.
    »Annemiechen, die brauchst du doch selbst noch«, gähnend kroch Fräulein wieder ins Bett.
    »Na, wenn man bloß weggibt, was man nicht mehr braucht, das ist bestimmt nicht das Richtige. Großmama sagt, nur was einem schwer fällt, hat Wert - man muß Opfer bringen lernen!« So philosophierte Nesthäkchen vor sich hin, während Fräulein ganz gemütlich wieder zu schnarchen begann.
    Aber diesmal fand selbst Großmama, daß ihr Enkeltöchterchen etwas zu freigiebig gewesen war. Sie selbst traf mit Fräulein eine verständige Auswahl unter den Sachen aller drei Kinder. Es wurde ein stattlicher Korb voll, und wenn auch keine Spitzenhütchen und Seidenschärpen dabei waren, die kleinen Ostpreußenkinder hatten von den warmen Wollsachen und festen Stiefeln sicherlich mehr. Obenauf aber hatte Annemarie noch von ihrem Spielzeug gelegt - denn ein bißchen freuen sollten sich die armen Flüchtlingskinder, die keine Heimat mehr hatten, doch auch.

Eine lebendige Puppe
     
    Es war am Sedantag, dem großen Tage, der einst Deutschlands Ruhm begründet. In den Schulen hatten allenthalben Feiern am Vormittag stattgefunden. Das Schubertsche Mädchengymnasium hatte dieselbe gemeinsam mit den Schülerinnen der Volksschule abgehalten. Arm und reich saßen da untereinander in dem großen, hellgetünchten Schulsaal. Aber keine von den »höheren Töchtern« hatte irgendeine hochmütige Empfindung dabei, keins von den Kindern aus dem Volke irgendeine neidische auf die schöner geputzten Mädchen. Alle einte der gleiche, erhebende Gedanke. Ruhm und Sieg, wie sie der heutige Tag einst besiegelt, möge auch die Zukunft dem teuren Vaterlande bringen!
    Berlin prangte heute wieder im bunten Flaggenkleid. Annemarie wollte gern mit Klaus an dem schulfreien Nachmittag Unter die Linden gehen. Die schöne Straße Berlins, die vom Brandenburger Tor zum alten Kaiserschlosse führt, dort zog an patriotischen Gedenktagen das Militär mit Musik entlang, dort zeigten sich auch öfters die kleinen Prinzen, jubelnd von der Menge begrüßt, am Fenster oder auf dem Balkon.
    Klaus hatte sich mit zwei Freunden verabredet, und Annemarie wollte für ihr Leben gern mit.
    Aber Großmama war ängstlich, Nesthäkchen gerade heute, wo die Menschen sich sicherlich Unter den Linden drängten, dem wilden Jungen anzuvertrauen. Fräulein war für den Nachmittag und Abend zum Geburtstag einer Bekannten beurlaubt, und Großmama selbst hatte einen wichtigen Weg vor. Sie wollte aufs holländische Konsulat und sich dort erkundigen, wie ein Brief über das neutrale Holland am sichersten ihre Tochter in England erreichen würde. Denn die Zeitungen hatten Berichte über Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten der Londoner Bevölkerung gegen dort

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