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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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keiner schämte sich derselben.
    Als Gesang geendet, trat eine der Schwestern zu den kleinen Mädchen. »So, Kinder, nun kann der Weihnachtsmann zu unseren Soldaten kommen!«
    »Schwester Elfriede!« Doktors Nesthäkchen schrie es freudig durch den großen Saal. Ehe Margot wußte, wo Annemarie geblieben, war sie auf die andere Seite auf eine Schwester mit sanftem Gesicht unter dem braunen Scheitel zugeeilt des. »Schwester Elfriede, kennen Sie mich nicht mehr? Ich bin ja die Annemarie Braun, die sie damals in Vaters Klinik gesund gepflegt haben, damals, als ich Scharlach hatte. »
    »Mädel, was bist du groß und stark geworden, dich hätte ich wirklich nicht wiedererkannt.« Schwester Elfriede, die früher an Doktor Brauns Klinik tätig gewesen, drückte ihrer einstigen kleinen Pflegebefohlenen ebenfalls erfreut die Hand.
    Alle Augen waren natürlich auf den reizenden Blondkopf gerichtet, dem man die Wiedersehensfreude so deutlich ansah.
    Die anderen Kinder verteilten inzwischen ihre Päckchen, auch Annemarie überreichte nun den Verwundeten mit freundlichem Worte ihre Gaben. Bald war eine fröhliche Unterhaltung zwischen den kleinen Geberinnen und den Beschenkten im Gange. Die Soldaten erzählten, wo sie verwundet worden, und die Kinder lauschten mit heißen Wangen.
    Annemarie aber warf besorgte Blicke auf die schwarzlockige Vera - würde die auch nicht verraten, was sich hier hörte?
    Vera stand drüben bei den blinden Kriegern. Das weichherzige, kleinen Mädchen fühlte sich zu den Unglücklichen am meisten hingezogen, während die anderen Kinder in einer bedrückenden Scheu die Unterhaltung mit ihnen vermieden.
    Jetzt reichte sie ihnen die Tüten mit Pfefferkuchen und Marzipan, welche sie im Arm trug. Die törichte Annemarie lief eilends hinzu - Himmel, die Spionin würde doch nicht die deutschen Soldaten vergiften?
    »Du bist ein liebes, kleines Mädchen«, hörte sie da einen der Blinden zu Vera sagen. Sanft streichelte er das kleine Gesichtchen, daß er nicht sehen konnte. »Hast du auch nahe Angehörige im Felde?«
    »Ja, meinen Papa«, war die leise Antwort.
    »Entweder schwindet die Polnische, oder ihr Vater kämpft gegen die Deutschen«, dachte Annemarie in ihrer Feindseligkeit.
    Der blinde Soldat holte ein zierliches Täschchen herbei, daß er selbst geknüpft hatte. »Hier, Kleine, daß schenke ich dir zur Erinnerung an den heutigen Weihnachtsabend, den du einem Blinden hell und licht gemacht hast«, sagte er dankbar.
    Vera zartes Gesicht rötete sich vor Freude. Da begegnete sie einem bitterbösen Blick der unweit stehenden Annemarie. War die neidisch? Veras große Freude verflog.
    Nein, Neid kannte Doktors Nesthäkchen nicht. Aber sie fand es empörend, daß die ‚Polnische‘, die ganz sicher eine Spionin war, solche Auszeichnung genoß. Wenn der deutsche Soldat wüßte, wem er sie hatte zum Teil werden lassen!
    Fräulein Hering versprach, dem Lazarett mit ihren Schulkindern bald wieder einen Besuch abzustatten. Annemarie verabschiedete sich von Schwester Elfriede. Die Soldaten winkten ihren kleinen Wohltäterinnen noch einen dankbaren Gruß zu.
    Auf der Treppe suchte Vera an Annemaries Seite zukommen.
    »Willst du haben derr Tasch - biete, nemm ihm«, damit hielt sie der Schulkameradin das Täschchen, daß ihr selbst solche Freude gemacht, schüchtern hin.
    Annemarie war ganz bestürzt. Sie war ja ein von Herzen gutes Kind. Nur falsche Vaterlandsliebe hatte ihr Herz gegen Vera verhärtet. Aber jetzt fühlte sie, wie die Mauer der Verachtung, die sie künstlich gegen die kleine Fremde in ihrem Herzen aufgetürmt hatte, vor den rührenden Worten nicht mehr standhalten wollte.
    »Ich danke dir -du hast sie ja geschenkt bekommen«, das klang zum ersten Mal weniger schroff.
    Dann ging Annemarie Arm in Arm mit Margot, Ilse und Marlene nach Hause, während Vera allein folgte.
    Aber das schwarzhaarige Kind war nicht traurig. Nein, Veras Herz schlug so froh, wie schon lange nicht. »Lieber Gott, ich danke dir, daß Annemarie gerade heute am Weihnachtsabend freundlicher zu mir war«, dachte sie glücklich.
    Auch Annemarie hatte ein Gefühl der Zufriedenheit. Kam das von der Freude, die sie den Verwundeten gemacht, oder daher, daß sie nicht so schlecht wie sonst gegen Vera gewesen? Doktors Nesthäkchen wußte sich keine Antwort darauf zu geben.
    Von der hell erleuchteten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche klangen die Glocken. »Frieden auf Erden«, so sangen sie. Wann würde endlich Frieden auf Erden

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