Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg
Kinderstubentisches. Ringsherum hatte sie ihre Geschenke für den Kleinen geordnet. Da lagen mühsam gehäkelte hellblaue Wollschuhchen und ein selbstgestricktes weißes Mützchen. Zwei Jäckchen, die in der Handarbeitsstunde gehäkelte worden waren, und außerdem ein kleiner Holzstall mit einem krähend herausspazierenden Hahn.
Der Junge würde Augen machen.
Jede der Freundinnen brachte ebenfalls ein Geschenke für den Kleinen Ostpreußenflüchtling mit. Margot hatte ein halbes Dutzend Windeln selbst gesäumt, Marianne ein Nachtröckchen genäht. Ilse und Marlene, die beiden Freundinnen, hatten sich zusammengetan, und den ersten Kittel für den Jungen, den Fräulein Herings zugeschnitten, geschneidert. Er war sehr niedlich ausgefallen, wenn der winzige Kehr auch vorläufig noch dreimal hineinging.
Wirklich, allerliebst sah der Weihnachtstisch aus. Stolz überblickten die fünf ihr Werk, dann aber ließen sie es sich selbst erst mal bei Schokolade und Weihnachtstolle wohl sein. Denn »Fleiß muß belohnt werden«, sagte die Großmama. Auch Hans und Klaus hatten sich dazu eingefunden und zeigten bei der Vertilgung der Kuchenberge ihren Fleiß.
Klaus, der Strick, machte sich nebenbei noch das Vergnügen, Puck auf Margot, die, so groß sie war, noch Angst vor Hunden hatte, heimlich zu hetzen.
»Wo ist die Margot - fast zu, Puck - fast sie!«, flüsterte er dem Vierfüßler ins Ohr.
Keiner achtete in dem lebhaften Stimmengewirr, daß fünf Mädchen verursachen können, auf den Schlingel. Bis plötzlich Margot mit lautem Angstgeheul von ihrem Stuhl auffuhr, daß ihre Schokolade sich über die Kaffeedecke und über Pucks weißes Fell ergoß.
»Der abscheuliche Hund - er beißt mich - er hat mich gebissen!«, rief sie weinend.
Der arme Puck, der nur ein wenig an Margots Kleidern geschnuppert hatte, wußte nicht, wie ihm geschah. Seine Freundin Annemarie jagte ihn scheltend aus dem Zimmer hinaus, und Klaus, der eigentliche Missetäter, ließ sich mit unschuldigen Gesicht, als ob er kein Wässerlein trüben könne, seinen Kuchen weiter schmecken.
»Ja, ja, so geht's im Leben«, dachte das Zwerghündchen sinnend, während es sich draußen die vergossene Schokolade vom Fell leckte, »kleine Diebe hängt man, große läßt man laufen.«
Nach dem Margot sich wieder beruhigt, Fräulein Ordnung geschafft, und Annemarie sich voll Rücksicht bei der erstaunten Großmama erkundigt hatte, ob ihre Nerven daß auch aushielten, nachdem Schokoladenkanne und Kuchenkörbe geleert, zogen die fünf erwartungsvoll hinunter in die Wohnung des Hausmeisters.
Dort gab's eine große Enttäuschung. Der Junghelferinnenjunge, der doch die Pflicht hatte, wenn seine Wohltäterinnen ihn besuchten, sie wenigstens mit offenen Augen zu empfangen, schlief gerade.
»Wird er bald aufwachen, Frau Kulicke?«, erkundigte sich seine erste Pflegemutter bei ihrer Nachfolgerin.
»Det kann keen Mensch nich wissen. Wenn det Mäxeken Lust hat, schläft es manches Mal bis achten und schreit dafür die janze Nacht.«
Na, das war ja heiter. Sie konnten doch dem ‚Mäxeken‘ unmöglich nachts bescheren. Um acht Uhr mußten die Freundinnen überhaupt schon wieder zu Hause sein.
Annemarie fühlte die Verantwortung als Wirtin und als ehemalige Pflegemutter.
»Vielleicht kann man ihn wecken?«, schlug sie der Frau vor.
»Nee- um Jottes willen nich - denn is jar nischt mit ihm zu machen. Denn brüllt er euch bis morjens früh in eins weg«, wehrte Frau Kulicke erschreckt.
Ach was, der Junge würde schon aufhören zu brüllen, wenn er die schönen Geschenke oben sah.
Als die Portierfrau in die Küche ging, begann Annemarie ein wenig an der winzig kleinen Nase des süß Schlummernden zu zupfen. Der knurrte im Schlaf, ließ sich aber sonst nicht stören.
Sie mußte energischer vorgehen.
»Junge, wach auf, gibt's eine Weihnachtsbescherung für dich!«, schrie sie in den Kinderwagen hinein, denen die Freundinnen in atemloser Spannung umstanden.
Diese Mitteilung machte jedoch durchaus keinen Eindruck auf den kleinen Schläfer.
Gab es denn hier keinen nassen Schwamm? Annemarie erinnerte sich, daß Fräulein sie öfters in der ersten Schulzeit durch dieses Mittel aus dem Bett gebracht hatte, wenn die kleine Langschläferin durchaus nicht aufstehen wollte.
Nein, ein Schwamm war nirgends zu entdecken, aber dort stand ja die kleine, noch halbgefüllte Gießkanne, mit der Frau Kulicke kurz vorher ihre Blumen gegossen hatte.
»Nicht, Annemarie, tu's nicht!«, wehrte
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