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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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des vergangenen Jahres vollenden und den ehrenvollen Frieden bringen - so hoffte ein jeder.
    Und als ob das junge Jahr wüßte, was man von ihm erwartete, so schmetterte es schon im Februar dem deutschen Volke siegesfroh entgegen: »Fahnen heraus!« Hindenburg, der Retter der östlichen Grenzländer, hatte seine gewaltige, neuntägige Winterschlacht in Masuren geschlagen, für immer waren die Kosakenhorden aus Ostpreußen vertrieben.
    Da wehte und wallte es farbenfreudig von den Häusern Berlins, da wogte es und bauschte sich siegesstolz im Winde. Schwarz-weiß-rot, Schwarz-gelb und der türkische Halbmond, auch von dem Braunschen Balkon flatterten diese Fahnen. Jeder der drei Kinder flaggte in einer anderen Farbe. Seitdem die Türken Deutschlands Bundesgenossen geworden waren, hatte Klaus für sich die Halbmondfahne erkoren. Annemarie in ihrer Vaterlandsliebe ließ nicht von schwarz-weiß-rot, so mußte Hans zu den Farben der österreichischen Bundesgenossen greifen.
    Fahnen und schulfreie Tage - wie jubelte die ohnedies begeisterte Jugend jedem neuen Siege gegen. Die Braunschen Kinder betrachteten dieselben von ganz verschiedenen Seiten. Der Obersekundaner hatte natürlich nur die militärischen Vorteile im Auge. Klaus, der Faulpelz, überlegte hauptsächlich, ob der Sieg wohl wichtig genug wäre, den Schulunterricht ausfallen zu lassen. Nesthäkchen aber hoffte von einem jeden, daß die Engländer sich dadurch leichter bereit finden würden, Ihre Mutti nach Hause reisen zu lassen.
    Bisher hatte Annemarie vergeblich gewartet. Wohl trafen Karten und Briefe jetzt ziemlich regelmäßig ein, aber nicht die Heißersehnte.
    Heute kam Annemarie empört aus der Schule.
    »Großmama«, rief sie schon von draußen, »ich habe geglaubt, das Gemeinste, was die Engländer tun können ist, daß sie Mutti nicht fortlassen. Aber sie sind noch viel gemeiner - denke bloß mal, unser Direktor sagt, England will die deutschen Frauen und Kinder aushungern. Bloß weil es so wütend ist über unsere Unterseebooterfolge und über unsere Zeppeline. Aber Herr Direktor meint, das wird ihnen nie und nimmer gelingen, jeder einzelne von uns muß helfen, diesen schändlichen Plan zunichte zu machen. Von nun an esse ich nie mehr als zwei Stullen abends, wenn ich auch noch so verhungert bin. Und morgens möchte ich jetzt auch keine Buttersemmel mehr, sondern Marmeladenbrot. Es ist dringend nötig, daß wir unsere Vorräte strecken, sagt der Herr Direktor, und jedes vaterlandsliebende Schulkind muß Opfer bringen.« Ganz heiße Backen hatte sich Nesthäkchen geredet.
    »Ei, Herzchen, so schlimm wird's ja nicht gleich werden«, Großmama lächelte über Annemaries Eifer. »Ich glaube, du kannst dich noch ganz ruhig satt essen. Wir haben viel Getreide in Deutschland.«
    »Wir kriegen im nächsten Monat Brotkarten, da kann es doch nicht so reichlich mit dem Brot sein«, fiel Klaus ein. »Unser Lehrer hat uns auch ans Herz gelegt, sparsam mit dem Getreideverbrauch umzugehen und unseren Gurt in der Magengegend etwas fester zu schnallen.«
    »Ja, Hanne, dann wird wohl bei uns Schmalhans Küchenmeister werden«, meinte Großmama scherzend zu der Köchin. »Es wäre doch wohl gut, wenn wir uns beizeiten noch etwas verproviantieren. Vielleicht kaufen wir noch einen größeren Posten Hülsenfrüchte und Mehl«, überlegte die erfahrene Frau.
    »Nee, Großmama, das darfst du nicht«, rief Annemarie wieder aufgeregt. »Wer die Vorräte aufkauft und hamstert, versündigt sich am Vaterland, hat Fräulein Lehmann gesagt.«
    Großmama war ebenso praktisch wie vaterlandsliebend. Ihr Sprichwort war von jeher: Sorge in der Zeit, dann hast du in der Not. Sie konnte durchaus kein Unrecht darin sehen, wenn sie von jedem Ausgang ein Pfündchen Mehl, Reis oder Grütze heimbrachte. Was an ihr lag, sollten ihre Enkelkinder nicht Hunger leiden.
    Die Jugend jedoch setzte plötzlich ihren vaterländischen Stolz darein, sich Entbehrungen aufzuerlegen. Hans kratzte sich abends die Butter, die Großmutterliebe ihm fett gestrichen, vom Brot und erklärte: »Fette sollen knapp werden, man braucht nicht zu dick geschmiert zu essen!« Klaus und Annemarie aber baten nur um zwei Butterbrote.
    »Junge, du mußt doch noch Hunger haben, du wirst der sonst manches Mal mit fünf Stunden noch nicht satt«, meinte Fräulein, die von dem vorangegangenen Gespräch nichts wußte, ganz erstaunt.
    »Natürlich habe ich Hunger, dollen sogar, aber ich esse keine Stullen mehr. Besser, ich habe ein

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