Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg
herausrücken.
Wir kriegen einen eisernen Ring mit Inschrift dafür, nicht wahr, du gibst mir ein paar von den ollen Kesseln, liebstes, einziges Großmuttchen? Annemaries Augen bettelten mit ihrem Mund und ihren streichelnden Händen um die Wette.
Es war nicht leicht, Nesthäkchens flehentlichen blauen Sternenaugen etwas abzuschlagen. Aber die Zumutung erschien Großmama doch etwas stark. Die Kessel waren noch ein Erbstück von ihrer eigenen Mutter, der Stolz der Hausfrau. Nein, diesmal blieb Großmama fest.
Aber als Annemie am nächsten Tage weinend aus der Schule kam, sogar Vera, die Polnische, habe einen Kupferkessel mitgebracht und dafür einen Gedenkring erhalten, bloß sie nicht - da ward Großmamas Herz von den Tränen ihres Lieblings doch erweicht.
»Na, meinetwegen«, seufzte sie schließlich ergebungsvoll, »aber nur zwei kleine - mehr keinesfalls!«
»Ach, das ist ja genug, dafür kriege ich sicher einen Ring«, jubelte Annemarie, die gute Großmama in ihrer Dankbarkeit fast erdrückend. Nesthäkchen schien zu glauben, die Kupfersammlung sei lediglich zu dem Zweck veranstaltet, um Schulkinder durch Gedenkringe zu erfreuen.
Aber Bruder Hans belehrte sie eines Besseren.
»Gedenkringe sind ja ganz schön, aber schließlich doch nur Nebensache. Die Hauptsache bleibt, daß wir genug Kupfer zur Herstellung unserer Munition zusammenkriegen.« Und nun ließ er seinen schönsten Vortrag von Stapel. Nur schade, daß seine Hörerschaft das Ende desselben nicht abwartete. Annemarie ging schon nach den ersten Sätzen auf und davon, um Klaus ein bißchen zu ärgern, daß sie zwei Kessel bekam und er keinen. Großmama hatte in der Wirtschaft zu tun, so sah sich der beredete Hans plötzlich mit Puck allein im Zimmer, der als einziger seinen Vortrag richtig zu würdigen schien.
In der Jungenstube gab es inzwischen eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen den beiden Jüngeren. »Natürlich gibst du mir einen Kessel ab, du dummes Ding, einer kommt mir überhaupt zu«, rief Klaus energisch.
»Is ja nicht wahr, Großmama hat sie mir geschenkt! Und für einen kleinen Kessel bekomme ich am Ende gar keinen Ring!« War es ein Wunder, wenn fast ganz Europa gegeneinander losging, daß auch bei Doktor Braun ein Krieg in kleinen stattfand? Zum erstenmal seit langer Zeit keilten sich die Geschwister wieder kunstgerecht.
»Aber Klaus - Annemie, schämst du dich denn gar nicht!«, von beiden Seiten eilten Großmama und Fräulein friedenstiftend hinzu.
»Der Klaus will mir meinen Kessel fortnehmen, Großmama«, begann Annemarie sich weinend zu verteidigen.
»Einer gehört mir - - -«
»Nein, mein Sohn, du irrst dich. Sie gehören beide mir, und ich habe sie für Annemarie bestimmt.« Großmamas Ruhe stach seltsam von der lauten Empörung der kriegsführenden Parteien ab.
»Dann lasse ich mir eben einen Kessel von der Hanne geben«, mit einem letzten Knuff verließ Klaus das Zimmer. Natürlich wollte Nesthäkchen hinter ihm her, um nun ihrerseits wieder die ‚Offensive‘ zu ergreifen. Jedoch Fräulein hielt es zurück. Großmama sagte ernst: »Ich sorge mit Freuden für euch, Kinder, und nehme die kleinen Unbequemlichkeiten und die Unruhe eines größeren Haushaltes gern in kauf. Aber Zank und Streit kann ich nicht vertragen, dazu bin ich schon zu alt und zu sehr an Ruhe gewöhnt. Wollt ihr, daß ich bei euch bleibe, dann müßt ihr Rücksicht auf mich nehmen und euch vertragen!«
Blutrot wurde Annemarie bei Großmamas eindringlichen Worten. Muttis erster Brief wurde plötzlich wieder in ihr lebendig. Hatte sie nicht damals die feste Vornahme gehabt, rücksichtsvoll gegen Großmama zu sein und für sie zu sorgen? Längst hatte sie das vergessen, wie sie auch manches andere vergaß.
»Verzeih mir Großmuttchen«, bat sie beschämt, »ich will jetzt wirklich immer daran denken, daß du alt bist und einen Krach nicht mehr vertragen kannst.«
Und als ein Weilchen später Klaus mit bitterbösem Gesicht wieder erschien, weil Hanne sich durchaus nicht auf irgendwelche Verhandlungen einlassen wollte, und ihre Kessel verteidigte, wie eine Löwin ihre Junge, da sagte Nesthäkchen aus freien Stücken: »ich gebe dir einen Kessel ab, Klaus.«
»Na also«, sagte der erfreut, »da hätten wir uns die Keilerei ja sparen können.«
Am nächsten Tage marschierten Doktors Sprößlinge einträchtig, jeder mit einem Kupferkessel, in die Schule und kamen freudestrahlend mit ihrem Gedenkring wieder heim.
Großmama sah lächelnd das gute
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