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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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dieser. Er teilte mit, die Patientin würde abgeholt werden. Die Jugend behielt recht mit ihrer Sorglosigkeit. Jede von ihnen kam sicher nach Hause.
    »Schade, Lotte, daß dein Geburtstag durch die dumme Geschichte so beeinträchtigt wurde«, meinte die Mutter beim Gutenachtsagen, als ihr Nesthäkchen sich nochmals für alles bedankte.
    »Beeinträchtigt ... aber das war doch gerade fein, Muttchen. Das war doch mal was Besonderes. Gesellschaftsspiele und Torte gibt's bei jedem Geburtstag. Aber im Stockdunkeln haben wir noch nirgends gegessen. So haben wir noch nirgends gelacht wie heute.«

Hamsterfahrt
     
    Kirschblüte in Werder! Fett gedruckt stand es in allen Zeitungen, an jeder Litfaßsäule. Nesthäkchen träumte Tag und Nacht davon.
    Aber die Eltern waren nicht für solch ein zweifelhaftes Vergnügen zu haben.
    »Fällt mir gar nicht ein, Lotte, mich in den überfüllten Zügen zu Apfelmus zerquetschen zu lassen«, lachte der Vater sie aus, »Ich laufe in der Woche genug herum.
    Wenn ich mich mit meiner Zigarre ruhig auf den Balkon setze, ist das mein schönstes Sonntagsvergnügen.«
    »Aber meins nicht ...«
    »Will ich gern glauben. Also sagen wir statt mit der Zigarre mit einem Stück Schokolade.«
    Nicht mal die zog.
    »Sechzehn Jahre bin ich nun und habe noch nie die Baumblüte zu sehen bekommen ... es ist eine Schande«, beschwerte sich Nesthäkchen.
    »Du brauchst doch bloß in den Hof hinunterzusehen«, zog sie Klaus auf. Dort lugte über die grauschwarze Mauer ein winziger, zartrosa Apfelblütenzweig vom Nachbargärtchen herüber.
    »Ja, du hast gut reden, du bist schon mit deinen Jungen in Werder gewesen.«
    »Lotte, du stellst dir das wirklich schöner vor, als es ist«, versuchte nun auch die Mutter den Unmut des Töchterchens zu vertreiben. »Da gibt es überfüllte Züge, lärmende, johlende Menschenmengen, die dem Obstwein mehr zusprechen, als ihnen guttut. Und kommt man hin, dann ist oft die Obstblüte bereits vorüber, alles braun und häßlich und keine weiße Blüte mehr zu entdecken. Ich habe es selbst erlebt.«
    »Siehst du, du hast es erlebt ... du bist dort gewesen. Und ich soll nicht hin. Bitte, bitte, Muttchen, ich möchte doch so schrecklich gern auch mal die Baumblüte sehen.«
    »Na, dann werde ich dich Sonntag mitnehmen ... meinetwegen.« Klaus fühlte sein Herz von den Bitten der Schwester erweicht. »Ich gehe mit Fritz Richter in aller Herrgottsfrühe auf Hamsterfahrt. Zwar nicht nach Werder, aber ganz in die Nähe, nach Caputh. Da ist die Baumblüte ebenso schön, und es ist dort lange nicht so voll. Aber wenn du nicht aus den Federn kannst, dann bleibe lieber gleich zurück. Gewartet wird nicht.«
    »Nein ... nein ... ich stehe schon um drei auf, wenn's sein muß, Kläuschen. Und mein Dirndlkleid ziehe ich an, dann geben mir die Bauern eher was. Und Butter und Eier bringe ich euch mit und Schinken und Speck ... hurra!« Annemarie drehte sich vor Freude wie ein Kreisel.
    »Aber Lotte, haben wir es denn überhaupt schon erlaubt, daß du mitfährst?« wandte die Mutter ein.
    »Ach Muttchen, liebstes, bestes Muttchen! Und ein Landbrot bringe ich euch auch mit.« Annemarie wußte gar nicht, was sie alles versprechen sollte.
    »Lieber Kartoffeln! Die tun uns am nötigsten. Daß man se nich mittags in'n Topp zählen muß, als wär's Jott weiß was für 'ne Kostbarkeit«, warf Hanne ein, die gerade ins Zimmer kam.
    »Ja, natürlich, Kartoffeln! Wir nehmen jeder einen Sack auf den Buckel. Dann können wir abends Kartoffeln und Hering essen, Vater, und nicht bloß immer die ollen Graupen«, rief Annemarie eifrig.
    »Wenn du mir mein Leibgericht, Kartoffeln und Hering, in Aussicht stellst, Lotte, müssen wir unbedingt einwilligen«, schmunzelte der Vater.
    »Hurra ... ich gehe auf Hamsterfahrt!«
    »Meinen Wünschen entspricht es eigentlich nicht, Lotte«, dämpfte die Mutter die lebhafte Freude. »Du ganz allein mit den beiden tollkühnen Jungen ...«
    »Ich kann mir ja Vera mitnehmen oder auch Margot, die ist dir doch sicher zahm genug, Muttchen.« Annemarie war zu allen Zugeständnissen bereit.
    »Warum nicht gleich alle Freundinnen? Ich kann ja gleich die ganze Gänseherde auf die Weide treiben.« Zu jeder anderen Zeit hätte Klaus' Unhöflichkeit sicher Anlaß zu einem Streit gegeben. Heute nahm Annemarie selbst die Gänseherde in Kauf.
    »Ach, Kläuschen, sei doch nicht so eklig. Denke mal, wie lustig das wäre, wenn die Mädel alle mit auf Hamsterfahrt gingen!«
    »Na ja ... hm!«

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