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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Beinahe hätte das eitle Fräulein deshalb zu Hause bleiben müssen.
    »Und solch ein Unsinn, Marianne, daß du dein hellblaues Batistkleid angezogen hast. Das ist viel zu schade.«
    »Ja, und die Bauern rücken auch nichts raus, wenn man so aufgeputzt daherkommt, dann denken sie, wir haben selbst genug.«
    Zum Glück enthob der herandampfende Zug Marianne einer Antwort. Zu Hause hatte sie Mutti gebeten und gequält, ihr zartfarbenes Sonntagskleid anziehen zu dürfen.
    Der Zug war trotz der frühen Stunde überfüllt.
    »Vera, wo bist du denn?«
    »Hierr ... ich finde keine Platz mehrr«, erklang es jämmerlich von draußen.
    »Aber Mädel, dich setzen wir schlimmstenfalls ins Gepäcknetz« ... »Einen Salonwagen kannst du nicht für dich allein beanspruchen« ... »Immer rin in die gute Stube.«
    Verschiedene Hände streckten sich raus, um Vera hereinzuhelfen, und Annemarie konnte sie endlich zu sich ziehen, obwohl sie selbst mit einem Bein in der Luft hing.
    »Richter, ist unsere Herde vollzählig? Na, dann kann's losgehen, Herr Stationsvorsteher.« War doch ein mächtiger Frechdachs, der Klaus!
    Schwarze Kiefernwälder mit lichtem Maiwuchs, taufrische Wiesen, sonntäglich saubere Häuschen überholte der Zug in ratternder Geschwindigkeit. Annemarie erblickte sie als winzigen Ausschnitt in dem Halbrund, das der Arm eines am Fenster postierten dicken Herrn freiließ. Man konnte kaum atmen, so eingekeilt war man. Die Mädel lehnten sich gegenseitig aneinander, um nicht umzufallen. Bei jedem Ruck fielen sie lachendaufeinander. Es war wundervoll. Über ihre Beine hatte Annemarie das Verfügungsrecht verloren, das eine schwebte, das andere wurde ihr beinahe abgedrückt. Aber die Hände gehörten ihr noch. Trotz der Enge hatte sie plötzlich ihre Zupfgeige beim Wickel und blim ... blim ... begann sie: »Das Wandern ist des Müllers Lust.« Sofort fiel der ganze Chor ein, nicht nur die Freundinnen, sondern sämtliche Insassen, sogar die der Nachbarabteile. So kam man singend an dem von blauen Havelarmen umfangenen Potsdam mit seinen historischen Türmen und Kuppeln vorüber nach Caputh. Draußen suchte man erst wieder seine Knochen zusammen.
    »Ach, Kinder, atmet doch bloß die bezaubernde Luft.«
    »Die Baumblüte ... dort schimmert alles weiß und rosa! Ach, ist das schön ... ist das schön!« Annemarie wies begeistert auf das weiße Blütenmeer, das in sanften Wellenlinien die Havelufer säumte.
    Marlene stand still und ganz versunken in diesem Frühlingswunder. Ilse schielte betrübt auf ihren rechten Schuh. Der hatte in der Enge den ersten schwarzen Tritt bekommen.
    »Es wird noch viel schöner ... kommt nur«, drängte Klaus, der weniger Sinn für Naturschönheiten als Unternehmungsgeist hatte. »Die Hauptsache bleibt das Hamstern. Die anderen Berliner dürfen uns nicht zuvorkommen.«
    »Es sind ja fast alle nach Werder gefahren.«
    Wirklich war es hier verhältnismäßig leer. In den Bauernhäusern regte es sich schon trotz der frühen Stunde. Hier sah ein hemdsärmliger Alter, das Pfeifchen im Mundwinkel, aus der Haustür prüfend in den klaren Sonntagshimmel. Dort fütterte ein junges Mädchen die sie umgackernden Hühner.
    »Pst, Kinder ... hier muß es Eier geben, ob ich mal frage?« Marianne öffnete bereits den Beutel ihrer Mutter.
    Aber Richter wehrte ab.
    »Nein ... es ist noch zu früh. Caputh liegt zu sehr an der großen Heerstraße. Wir müssen in den abseits gelegenen Dörfern hamstern, wo die Berliner weniger hinkommen.« Er schien sich darauf zu verstehen.
    So zog man weiter. Die Villen schliefen fast noch alle. Ab und zu waren schon die Fensterläden aufgeschlagen. Dort unter dem weißen Flieder trank man sogar schon Kaffee.
    »Eier, Butter, Honig und Wurst ... die haben's gut«, meldete Marianne, durch die Büsche ein wenig neidisch den reichbesetzten Frühstückstisch musternd.
    »Kriegen wir auch alles noch«, tröstete Annemarie.
    »Nur immer vorwärts!« Klaus trieb seine Herde an.
    Durch echt märkischen Sand stampfend, zog die Jugend unter blühenden Kirschbäumen dahin.
    »Wenn sie doch reif wären!« Ilse schien auch mehr Sinn fürs Reale zu haben als für die Schönheit der Natur.
    »Wo wirr werrden stücken frrüh?« erkundigte sich Vera, die keine Zeit mehr gehabt hatte, ihren Morgenkaffee zu trinken.
    »Wir werden stücken früh in dem ersten Bauernhaus«, zog Margot Vera auf. »Da können sie uns gleich frische Milch zu unsern Broten geben.«
    »Au ja ...«
    »Wenn sie's tun.« Das war

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