Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit
setzen sollen, Mädel, die Sonne meint es noch gut«, gab Onkel Heinrich zu bedenken.
»Ich möchte gern braun brennen. Wir sechs Freundinnen haben gewettet, wer nach den Ferien am knusperigsten sein wird. Die an der See haben's ja leichter.«
Ein Karrenweg zog sich durch insektendurchsummte Wiesen. Purpurne Steinnelken, Glockenblumen, leuchtendblau, weiße Margeriten und goldener Löwenzahn blühten überall.
Sie kamen an der Fohlenkoppel vorüber, an üppigem, von kleinen Bächlein umrieseltem Weideland vorbei. Eine Herde Kühe lag hier faul und wiederkäuend im Grünen. Unweit vom Wege stand ein prächtiges, buntscheckiges Tier. Den Kopf gegen den leuchtenden Himmel gehoben, stieß es vor Lebensfreude lautes Gebrüll aus.
Nesthäkchen fuhr zusammen. »Ist das ein Stier?«
»Ja, aber er tut nichts, wenn er nicht gereizt wird. Ach Gott, du hast ja ein rotes Tuch um, Annemie, da wird er bestimmt wild.« Peter grinste vor Freude über den neuen Schabernack.
Aber Annemarie bemerkte das nicht in ihrer Aufregung. Die sah nur den Stier. Das Tuch abreißen, unter dem grünen Schürzchen verstecken und mit einem kühnen Satz den am Weg entlangplätschernden Bach überqueren, um die jenseitige Wiese zu gewinnen, war das Werk einer Sekunde.
Pardauz ... die Beine waren nicht lang genug. Hochauf spritzte das Wasser. Nesthäkchen lag im Bach und konnte sich von der Hitze des Weges abkühlen.
Am Bachrand standen die beiden Herren und lachten ... lachten ...
»Annemie ... der Stier ... der Stier ist ja eine Kuh! Du bist vor einer Kuh ausgekniffen!« Peter johlte vor Vergnügen.
»Das kann ich doch nicht wissen, du Affenschwanz! Hilf mir lieber aus dem Wasser heraus, anstatt so zu blöken.«
Eine triefende Wassernixe tauchte aus dem Silbernaß auf, mit kläglichen Augen.
»Stell dich nur in die pralle Sonne, Annemie. Wenn wir zurückkommen, holen wir dich hier wieder ab, bis dahin wirst du wohl trocken sein.« Ja, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
»Nichts da ... linksum kehrt, Mädel! Und schleunigst in trockene Sachen, daß es keinen Schnupfen gibt«, kommandierte Onkel Heinrich.
»Was ... ich soll nicht mit zur Erntearbeit?« Annemarie war grenzenlos enttäuscht. Es half nichts, Annemarie mußte zurück.
Unvorhergesehenes
In der dritten Woche weilte Annemarie nun schon auf Gut Arnsdorf. Sie hatte inzwischen gelernt, nicht in jeder Kuh einen wütenden Stier zu wittern. Sie war mit zur Feldarbeit hinausgezogen und hatte trotz brennender Julisonne fleißig beim Schichten und Binden der Garben geholfen. Ihre Garbengruppen sahen zwar etwas erholungsbedürftig aus ... »Wie verhungerte Großstädter«, meinte Peter, aber sie hatte das Kunststück, das schwieriger schien als die schwerste mathematische Ausrechnung, doch fertiggebracht.
»Mädel, du gibst noch mal einen ganz tüchtigen Inspektor ab«, äußerte sich Onkel Heinrich anerkennend. »Wie ist's, soll ich dich in Brot und Lohn nehmen?«
»Vater braucht mich zur Assistentin, weil unsere Jungen nicht Medizin studieren wollen. Ich hab's Vater schon eher versprochen, sonst gern, Onkel Heinrich.«
Annemarie nahm die Sache ganz ernst.
Auch Tante Kätchen war sie in der Einkochzeit im Gemüse-und Obstgarten mit gutem Willen zur Hand gegangen. Tante Kätchen hatte das übermütige, frische Mädchen so liebgewonnen, daß sie es überhaupt nicht wieder hergeben wollte.
»Dich geb' ich nicht wieder heraus, du mußt bei mir bleiben, mein Liebling, wenn Elli und Bübchen für immer nach Kiel ziehen«, sagte sie oft.
»Kannst mich ja heiraten«, schlug Peter vor.
»Nee, solchen Frechdachs mag ich nicht zum Mann«, lehnte Annemarie deutlich ab.
»Wie ist's denn mit mir?« neckte Herbert.
»Na, du wärst erst der Richtige ... ein Faultier ist noch schlimmer als ein Frechdachs.«
Trotz dieser täglichen Wortkriege und Hänseleien verstanden sich die Vettern mit ihrem Kusinchen recht gut.
Am liebsten von allen auf Gut Arnsdorf hatte aber Klein-Bübchen die Annemarie. Bübchen wollte sich nur noch von Annemarie füttern lassen. Annemie mußte ihm sein Fläschchen geben, ihn waschen und zu Bett bringen. »Was soll das bloß werden, wenn mein Kindermädel wieder in Berlin ins Gymnasium geht?« jammerte Elli jetzt schon.
»Bis dahin ist ja noch schrecklich lange Zeit«, tröstete Annemarie. Vorläufig lagen noch Wochen voll Sonne und ungebundener Freiheit vor Nesthäkchen.
Jeden Morgen vor dem Spiegel stellte Annemarie triumphierend fest,
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