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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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begannen sich zu bäumen und vor der Herde zu scheuen.
    Die Kühe brüllten vor Schreck; lauter aber noch brüllte Nesthäkchen: »Onkel Heinrich, die Kühe fressen unsere Pferde auf!« Da hatte Peter schon in die Zügel gegriffen und mit Fachkenntnis die Braunen zum Stehen gebracht.
    »Dämelsack, wie kann man bloß vor Kühen Angst haben!« Der galante Vetter sah noch verächtlicher drein als die Kühe.
    Hinter ihnen aber erschallte dröhnendes Gelächter. »Bist ja ein Mordsmädel, daß du vor 'ner Kuhherde zurückschreckst.« Und mit Onkel Heinrich lachte der Herr Pastor, der vom Fenster des Pfarrhauses alles beobachtet hatte.
    So hielt Nesthäkchen seinen Einzug in Arnsdorf.
    Als Tante Kätchen, Mutters Schwester, dann ihren jungen Gast herzlich in die Arme schloß, konnte Annemarie feststellen, daß sie nicht mehr kleiner war als die Tante. Auch Kusine Elli war da mit ihrem Bübchen, und Herbert, der zwanzigjährige Vetter, der das kleine Kusinchen früher immer geneckt hatte.
    »Junge, du hast ja inzwischen einen Schnurrbart gekriegt!«
    »Deiner wächst auch noch, Annemarie, wenn du nur erst Student bist.« Gleich zog er sie mit ihrer Gelehrsamkeit auf.
    Der Abendbrottisch auf der mit Kletterrosen umrankten Veranda erregte des Großstadtkindes helle Begeisterung.
    »Haach ... saure Milch! Die ist in Berlin während des Krieges ganz unmodern geworden. Und Schinken! Den kenne ich nur noch vom Erzählen her, wie aus einem Märchen. Soviel Schnitten könnt ihr essen? Kommt ihr denn da mit eurer Brotration aus?« Annemarie erregte die größte Heiterkeit mit ihren Fragen.
    »Na, wie eine verhungerte Berlinerin siehst du nicht aus, Mädel.« Onkel Heinrich kniff sie in die rosigen Wangen.
    »Weil ihr für uns und Großmama immer so feine Futterpakete schickt«, gab Annemarie lachend zurück.
    »Beinahe hätte ich übrigens nicht kommen können«, plauderte sie munter weiter.
    »Vorgestern wußte man noch nicht, ob die Eisenbahnen wegen der Blockade fahren würden. Margot Thielen, das ist auch meine beste Freundin, war schon selig, daß ich zu Hause bleiben mußte. Ja, Kuchen! Jetzt sitze ich hier unter Ochsen und Gänsen ...«
    »Sehr schmeichelhaft, in welcher Gesellschaft du dich hier befindest.« Da war die Wolke von Onkel Heinrichs Stirn vor Annemaries unbefangener Fröhlichkeit zerstoben.
    »Wir wollen dich hier schon rausfuttern, mein Mädchen. Unterernährt seid ihr alle in der Großstadt.«
    »Dazu bin ich nicht hergekommen«, versicherte Annemarie. »Ich soll doch bei der Ernte helfen.«
    »Hahaha.« Die Vettern lachten wie aus einem Mund.
    »Da kommt so was aus Berlin, kann Virgil und Cicero übersetzen, aber nicht Gerste von Weizen unterscheiden, und will bei der Ernte helfen. Na, die muß gut werden!«
    »Du brauchst dich gar nicht so aufzuspielen, Herbert.« Zwanzigjährige junge Herren imponierten dem Backfisch noch lange nicht. »Wollen es erst mal abwarten, wer mehr hilft, du oder ich.«
    »Na, dazu gehört nicht viel, den Herbert auszustechen«, belustigte sich Elli an dem Wortstreit. Denn der Älteste, der jetzt nur in den Ferien zu Hause eine Gastrolle gab, war hier ein großes Faultier und zeigte wenig Interesse für die Landwirtschaft. Darum wollte er auch später das Gut nicht übernehmen, sondern studierte auf der Technischen Hochschule.
    »Nimm dich nur vor Kühen in acht, wenn du bei der Ernte helfen willst, Annemie.« Peter kniff das linke Auge zu. »Die sollen manchmal wild werden und stoßen.«
    Vorläufig stieß Annemarie, und zwar knuffte sie heimlich unter dem Tisch den abscheulichen Vetter, genauso als ob sie es mit Klaus zu tun gehabt hätte. Das Glas Milch, das Tante Kätchen ihr schon zum zweiten Mal gefüllt hatte, flog von der Erschütterung um.
    O weh ... war Tante Kätchen böse ? Aber sie drohte nur lächelnd: »Gut, daß wir eine Wachstuchdecke haben.«
    »Ich habe Annemarie zur Erntearbeit herbeordert«, ließ sich Onkel Heinrich, große Rauchwolken aus seiner Pfeife herausstoßend, vernehmen. »Morgen früh um vier geht's aufs Feld, verstanden?«
    »Um vier schon?« Entsetzte Blauaugen starrten Onkel Heinrich an. »Da lohnt's ja gar nicht erst, ins Bett zu gehen.«
    »Du denkst wohl, hier wird dem gnädigen Fräulein die Schokolade um neun Uhr ans Bett gebracht?« zog Peter sie auf.
    »Nee, das ist in Berlin auch nicht der Fall. Da muß ich um acht schon im Gymnasium sein. Und überhaupt, ich bin erst neulich um halb fünf aufgestanden, als wir auf Hamsterfahrt gingen«,

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