Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
Es tut uns leid, Kind, aber ... es ist nicht zu ändern.« Onkel Heinrich verließ die Veranda.
    Es half nichts. Der Reisekoffer wurde vom Boden heruntergeholt. Elli half Annemarie beim Einpacken, während Tante Kätchen eine Futterkiste für die Eltern und den Mundvorrat für die Fahrt zurechtmachte.
    Wie im Traum zog alles an Annemarie vorüber, unwirklich, als ob sie es gar nicht selbst erlebte. Da war der Kutscher, der den Koffer auf den Wagen lud. Sie lag im Arm von Tante Kätchen, die sie gar nicht wieder loslassen wollte.
    Dann zogen Wiesen, Kühe, Felder vorüber. Der rote Kirchturm von Arnsdorf ... schwarzer Dampf aus brüllendem Lokomotivenschlund ... durcheinanderhastende Menschen. Durch einen Tränenschleier sah Annemarie Onkel Heinrichs breite Gestalt und Peters schlanke auf dem Bahnsteig kleiner und kleiner werden ... immer kleiner ... eine Kurve ... so, nun war nichts mehr von Arnsdorf zu erblicken.
    Die Kleinbahn war überfüllt. Jeder wollte noch mit dem letzten Zug fort. München ... nun mußte Herbert das Kusinchen allein seinem Schicksal überlassen.
    »Leb wohl, Annemarie, und wenn alles wieder in Ordnung ist, kommst du wieder«, rief er, neben dem schon fahrenden Zug entlangtrabend.
    Annemie schüttelte traurig den Kopf. Es war ihr, als ob mit dem Vetter das letzte Zipfelchen der goldenen Sommertage auf dem Lande entwich. Der beste Trost bei einem Abschiedsschmerz pflegt meist der Futterkorb zu sein. Als Annemarie das erste Ei und die leckere Schinkensemmel beim Wickel hatte, wurde ihr Schmerz stiller. Den Hühnern, die ihr das Ei gespendet hatten, hatte sie morgens das Futter gestreut. Der Schinken stammte sicherlich von dem Ahnherrn eines der rosigen Ferkelchen, die sich zu Annemaries Ergötzen stets so drollig im Sande einbuddelten. Und die Pfirsiche hatte sie selbst gestern vom Spalier gepflückt.
    Immer weiter ratterte der Zug, legte eine immer größere Entfernung zwischen Annemarie und ihr Ferienglück. Was würde Margot bloß sagen, wenn sie plötzlich wieder an die Balkonwand pochte? Und die Eltern! Wie würden die sich freuen, ihre Lotte wiederzuhaben. Annemarie, die noch eben so traurig gewesen war, fühlte mit Erstaunen, wie die Freude der Eltern, die sie sich ausmalte, warm in ihr eigenes Herz zurückstrahlte. Sie freute sich ja auch, sie alle wiederzusehen. Wenn Onkel Heinrich in seiner Aufregung nur nicht vergessen hatte, den Eltern zu telegrafieren, denn sie kam nachts in Berlin an.
    Geld genug hatte sie zwar, um sich vom Bahnhof eine Droschke leisten zu können. Für alle Fälle hatte Onkel Heinrich sie noch mit einem Hundertmarkschein versehen. Der war sorgsam in ihrem Handtäschchen untergebracht.
    Da trat der Schaffner in ihr Abteil. »Nürnberg ... alles aussteigen ... der Zug fährt nicht weiter.«
    Nanu ... was sollte denn das heißen.
    Da war der Beamte auch schon davon, um im nächsten Abteil dasselbe zu melden. Größte Verwirrung allenthalben. Ein Herr schimpfte, er rühre sich nicht vom Platz. Er habe sein Geld bis Berlin bezahlt und wünsche nun auch hinbefördert zu werden. Ein anderer wieder drängte zum Aussteigen. Sicher war etwas an der Maschine nicht in Ordnung, und man würde mit einem anderen Zug weiterbefördert werden.
    Das leuchtete auch Annemarie ein. Sie griff nach ihren Sachen. Etwas reichlich Gepäck war es. Tante Kätchen hatte nicht damit gerechnet, daß Annemarie zwischen München und Berlin, wo sie von den Eltern sicher auf dem Bahnhof erwartet wurde, noch einmal würde umsteigen müssen. Mit den zwei Eierkisten, eine für die Großmama, eine für die Eltern, mußte sie ganz vorsichtig umgehen. Den schweren Rucksack schnallte sie auf. Aber dann war da noch der Korb, aus dem es leise piepste. Junge Hühner waren darin. Annemarie wußte gar nicht, wie sie mit ihren Siebensachen hinauskommen sollte.
    Nun stand sie endlich in einem Menschenknäuel auf dem von der Abendsonne bestrahlten Bahnsteig. Man umlagerte den Mann mit der roten Mütze. Der zuckte gleichgültig die Achsel. »Kohlenmangel, es fährt kein Zug mehr.«
    »Ich muß aber nach Berlin«, schrie ein Herr wütend.
    »Dann müssen Sie sich ein Flugzeug nehmen«, rief irgendein Spaßvogel.
    Die Reisenden liefen in unbeschreiblicher Aufregung durcheinander. Jeder hoffte noch irgendwo eine Möglichkeit zur Weiterreise zu erlangen. Vergebens. Die schwarzen, fauchenden Eisenungetüme standen mitleidlos still. Kein Rad drehte sich mehr.
    Annemarie war wie benommen. Was nun? Wie würden sich die

Weitere Kostenlose Bücher