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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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für kurze Zeit. Als nach acht Tagen die Kohlenknappheit behoben war und Annemarie, mit Reisegeld von Doktor Lange versehen, dankbar Abschied von den Gastfreunden nahm, bedauerten diese aufrichtig, sich so bald von dem lieben Mädel wieder trennen zu müssen. Auch Nesthäkchen wäre noch gern bei den guten Menschen geblieben, wenn ... ja, wenn es nicht heimgegangen wäre zu Vater und Mutter.

Tanzstunde
     
    Die lustigen bunten Astern in den grünen Blumenkästen, die Annemarie selbst vor ihren Fenstern gesät hatte, waren verblüht. Hinter den Scheiben neigte sich ein blonder Mädchenkopf in angestrengter Arbeit über dicke Bücher und Hefte. Die Feder kritzelte eifrig. Es war nicht so einfach, sich die Reife für die Prima zu erringen. An die Obersekunda wurde im letzten Halbjahr große Ansprüche gestellt. Nesthäkchen, so begabt es auch war, mußte fleißig arbeiten, um den Wünschen der Lehrer zu genügen.
    Außerdem gab Annemarie noch dreimal in der Woche zurückgebliebenen Schülerinnen unterer Klassen Nachhilfestunden. Der Ordinarius der Obersekunda hatte Umfrage in seiner Klasse gehalten, wer Nachhilfestunden übernehmen würde.
    Annemarie Braun und Marlene Ulrich hatten sich sofort gemeldet. »Denke nur, Marlene, was wir alles von dem schrecklich vielen Geld, das wir verdienen werden, bestreiten können«, hatte Annemarie frohlockend Pläne gemacht. »Theater- und Konzertkarten, Eisbahn und Tennis ... Klaus hat von seinem Stundengeld sogar mit Hans im Sommer eine Wanderung durch den Schwarzwald unternommen.«
    Die Eltern waren allerdings nicht so recht einverstanden mit den Plänen des Töchterchens. »Kind, du hast selbst genug zu lernen, um gut im Gymnasium mitzukommen. Und wenn du dich in deiner freien Zeit im Haushalt betätigst, ist dir das gesünder und zuträglicher. Du hast doch selbst als Kindermädel bei Doktor Lange einsehen müssen, wie wenig du noch von wirtschaftlichen Dingen verstehst«, hatte die Mutter zu bedenken gegeben.
    »Ich biete mich ja so bald nicht wieder als Kindermädel an.« Jeden Einwand hatte Annemarie fortgelacht. »Und es dürfen überhaupt nur Schülerinnen, die gut in der Klasse stehen, Unterricht erteilen. Schlechte Schülerinnen werden zurückgewiesen.«
    »Es werden aber unter den guten Schülerinnen sicherlich junge Mädchen sein, die ein Taschengeld notwendiger brauchen als du, Lotte«, hatte auch der Vater eingewandt. »Die sich nicht nur Theaterkarten davon kaufen wollen, sondern in der heutigen schweren Zeit auch Kleider und Schuhe. Ich möchte nicht, daß meine Tochter ärmeren Mädchen ihren Verdienst fortnimmt.«
    »Tut sie ja auch nicht, Vatchen. Alle, die sich gemeldet haben, sind berücksichtigt worden und haben Stunden bekommen. Nur schwache Schülerinnen sind ausgeschaltet worden.«
    So verwandelte sich das übermütige Nesthäkchen dreimal in der Woche in eine ehrbare Lehrerin und wurde ein kleiner Krösus, wie Vater sie scherzweise nannte.
    Eine Stunde aber gab Annemarie, für die sie keine Bezahlung bekam. Sie unterrichtete ihre Freundin Vera und gab sich dabei viel Mühe. Denn die junge Deutschpolin stand schlecht in der Klasse, und ihr Onkel, Herr von Hohenfeld, wollte Vera, wenn sie zu Ostern nicht in die Unterprima kam, vom Gymnasium fortnehmen. »Unnütze Tierquälerei«, nannte er es. Vera sollte ins Lettehaus und Fotografie erlernen. Nein, ohne ihre Vera machte Annemarie das Gymnasium auch keinen Spaß mehr. Vera mußte in die Unterprima versetzt werden.
    Die fleißigen Bemühungen der Freundinnen hätten auch sicher Erfolg gehabt, wenn sie nur nicht in diesem Winter gerade Tanzstunde genommen hätten. Tanzstunde ... ist es wohl möglich, an deutsche Grammatik, an Geometrie und unregelmäßige Verben zu denken, wenn es zu überlegen gilt, ob man bei dem neuen Tanz erst drei Schritte links oder drei Schritte rechts machen muß? Das waren Fragen von so ungeheurer Wichtigkeit, daß man darüber wirklich Parallelogramm, Virgil und Hermann- und Dorothea-Aufsatz vergessen konnte.
    Frau Braun war gleich dagegen gewesen, Annemarie in diesem Winter Tanzstunde nehmen zu lassen. Sie kannte ihr zerfahrenes Töchterchen, das sich dadurch sicher von ihren Pflichten ablenken lassen würde. Sie riet ihrer Lotte, bis nach dem Abiturientenexamen mit der Tanzstunde zu warten.
    »Was ... bis nach dem Examen? Dann bin ich ja eine Greisin. Neunzehn Jahre bin ich dann schon. Und die Mädel nehmen ja alle in diesem Winter Tanzstunde. Wer weiß, ob Klaus dann gerade in

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