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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Berlin studiert; dieses Jahr ist er doch noch hier. Und es ist immer gut, für alle Fälle einen Herrn zu haben, der mit einem tanzt, wenn man sitzenbleibt.«
    »Wenn man nachher in der Klasse sitzenbleibt, setzt es einen Tanz, der weniger schön ist, Lotte!«
    Was nützte alle Mutterlogik den Bitten und Versprechungen des Töchterchens gegenüber. Annemarie nahm mit ihren Freundinnen Tanzstunde und brauchte wirklich keine Angst zu haben, bei einem Tanz sitzenzubleiben. Das lustige, anmutige Ding war die beliebteste Dame in der Tanzstunde. Annemarie wollte ihrer Mutter beweisen, daß man Tanzstunde haben konnte, ohne seine Pflichten zu vernachlässigen. Darum lernte sie heute, daß ihr der Kopf rauchte. Stand doch als Belohnung heute wieder die Tanzstunde in Aussicht.
    Einen französischen Aufsatz über Chateaubriands »Jerusalem« hatte sie augenblicklich auszuarbeiten. Ziemlich schwierig und »geisttötend«, wie allgemein von den Mädchen Kritik geübt wurde. »Les murs de Jerusalem se levent« ... da ... horch ... Musik ... ein Leierkasten. Was spielte er denn? Ach, das Schwarzwaldmädel. Annemarie begann die bekannte Melodie, die vom Hof heraufklang, mitzuträllern. »Lalalalala ... lalalalala ... Les murs de Jerusalem se levent sur sept collines ... tralala ... tralala.« Die Füßchen begannen im Takt auf und nieder zu wippen.
    »Les pierres des murs se composent de granit ...« Da stürzten die Mauern von Jerusalem mit Annemaries Pflichtbewußtsein zugleich zusammen. Der Stuhl flog zu Boden, Annemarie aber ging zwischen Schreibtisch und Bett im Rhythmus der Musik auf und nieder. Tralala-lalala. Was kümmerte sie noch, aus welchen Steinen sich die Mauern von Jerusalem zusammensetzten? Hin und her, rechts und links, rund im Kreis tralalalalala.
    »Ist das der Ernst, den du zu deiner Arbeit notwendig hast?« erklang es da aus dem Nebenzimmer vorwurfsvoll. Die Mutter war von dem Lärm aus ihrer Ruhe aufgescheucht worden.
    Annemarie schlich betroffen zu ihrem Schreibtisch zurück. Wer konnte denn was dafür, wenn plötzlich ein Leierkasten alle guten Vorsätze über den Haufen warf! Annemarie vertiefte sich wieder in ihren französischen Aufsatz. Aber sie konnte es doch nicht verhindern, daß ab und zu das Schwarzwaldmädel zwischen den Mauern von Jerusalem hervorlugte.
    Sieben Schläge dröhnten von der großen Standuhr durch die Wohnung. Klapp ... erleichtert schlug Annemarie ihre Bücher zu. Nun war es Zeit zum Anziehen. Heute mußte sie sich besonders fein machen. Großmama und Bruder Hans, der dieses Semester in Berlin studierte, hatten versprochen, zum Zusehen in die Tanzstunde zu kommen.
    »Na, ist unsere Balldame fertig?« Doktor Braun, der bereits am Abendbrottisch saß, musterte sein hübsches Töchterchen in stolzer Vaterfreude.
    »Ja ... Klaus bummelt natürlich noch. Der wird auch nie fertig.«
    »Frechdachs!« unterbrach der eintretende Bruder das Wortgesprudel. »Zur Strafe tanze ich heute kein einziges Mal mit dir ...«
    »O Gott, das wirst du mir nicht antun, Kläuschen. Dann muß ich ja den ganzen Abend über Mauerblümchen spielen und die Wand schmücken«, lachte der Kobold.
    »Verdienen würdest du's!« Klaus sah in seinem dunkelblauen Jackettanzug nicht weniger schmuck aus als sein hübsches Schwesterchen. Seit Oktober war er Student auf der landwirtschaftlichen Hochschule.
    »Was, Klaus, jetzt willst du erst noch essen? Es ist ja schon in fünf Minuten acht. Und ich bin zum ersten Tanz bereits von Richter aufgefordert!« drängte Annemarie.
    »Dann muß sich der Ärmste gedulden. Meine Käsestulle ist mir wichtiger.«
    »Lotte, du ißt auch noch etwas, ohne Abendbrot gehst du nicht fort«, erklärte der Vater. »Ich kann wirklich nicht, Vatchen, ich bin ganz schrecklich satt.«
    »Ballfieber nennt man das bei uns zulande«, lachte Hans, ihr Bester, sie aus.
    »Komm, Kleinchen, ich füttere dich.«
    »Margot ist schon weg ... ich habe eben die Tür klappen hören. Wir kommen natürlich immer zu spät.« Es war eine Aufregung für das ganze Haus, wenn Tanzstunde war.
    »Auf Wiedersehen« ... »Auf Wiedersehen« ... »Erhitze dich nicht zu sehr, mein Mädel« ... Da war das Braunsche Kleeblatt bereits aus der Tür.
    »So, nun ist Ruhe im Lande.« Die Eltern atmeten unwillkürlich auf.
    Die Tanzstunde fand in einem Gesellschaftssaal statt. Eine liebenswürdige junge Dame, Fräulein Steinen, gab den Unterricht.
    An der Garderobe drängten sich noch einige Verspätete. Aus dem Saal klang bereits

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