Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
Tanzmusik.
    »Flink ... flink ... es hat schon angefangen.« Annemarie riß Kopftuch und Mantel ab. Da erschien auch schon ihr Kavalier.
    »Warum kommt ihr denn so spät? Wir sollen heute langsamen Walzer lernen ... flink, Annemarie.« Er zog seine Tänzerin in den Saal. Dort hüpften beim strahlenden Schein der Glühbirnen die Backfische mit ihren Herren auf und nieder. An den Wänden aber saßen die verschiedenen Mütter und Tanten und zählten eifrig, ob ihre Tochter und Nichte auch nicht weniger tanzte als eine Freundin. Mitten unter ihnen erblickte Annemarie Großmamas liebes Gesicht. Musik, Lichterglanz, heiße Mädchenwangen, wehende Haare ... dazwischen Fräulein Steinerts Kommandostimme. Annemarie schwamm in einem Meer von Glückseligkeit.
    Als der Tanz zu Ende war, zogen sich die Jünglinge in die eine Ecke des Saales zurück, die meisten Backfische in die entgegengesetzte. Dort wurde geflüstert und gekichert. Annemarie lief zur Großmama.
    Diese strich ihrem Liebling die krausen Blondhaare aus der erhitzten Stirn und händigte ihr eine große Tüte Konfekt für sich und ihre Freundinnen aus. Von den neuen Tänzen aber wollte Großmama nichts wissen. Walzer, Polka und Rheinländer, Quadrille und Contre, die Tänze ihrer Jugend, waren doch viel schöner.
    Annemaries umfangreiche Konfekttüte lockte auch die jungen Herren unter Anführung von Klaus aus ihrer Ecke heraus. Da erklang aber schon das Händeklatschen von Fräulein Steinen: »Drei Paare zum langsamen Walzer antreten.«
    Ein viertel Dutzend Jünglinge stürzten sich auf die erwartungsvoll dasitzenden Backfische und angelten sich drei heraus. Unter ihnen natürlich Annemarie.
    Fräulein Steinen tanzte Schritte und Drehungen vor. »Also ähnlich wie beim Walzer ... das erste Paar, bitte.«
    Klaus mit Vera traten vor.
    »Eins ... zwei ... drei ... vier ... fünf ... sechs ... eins ... zwei ... drei ... falsch, umgekehrt den Schritt machen, Herr Braun«, rief Fräulein Steinen.
    »Herr Braun« machte den Schritt umgekehrt und ein jammervolles »Au ... meine Fuß!« übertönte die Walzerklänge. Vera hüpfte wie eine Bachstelze auf einem Fuß im Kreise herum, während Annemarie Klaus ein liebevolles »Trampeltier!« an den Kopf warf.
    »Das zweite Paar antreten!« Marlene mit einem Jüngling, der seiner unheimlichen Länge wegen von den ausgelassenen Mädeln »der Unendliche« genannt wurde. Marlene, die kleine, zierliche, konnte nicht bis zu seiner Schulter hinauflangen. Sie ankerte sich irgendwo oberhalb seines Ellbogens fest, und dann ging's los: »Eins ... zwei ... drei ... vier ...« da hatte der Unendliche seine kleine Dame unterwegs verloren. Jeder machte auf eigene Faust merkwürdige Sprünge, die mehr an den Zoologischen Garten als an Tanz erinnerten.
    Das dritte Paar trat an. Annemaries Partner war ein netter Primaner, leider aber unmusikalisch wie ein Schellfisch. Die Mädel verschanzten sich, sobald er in Sicht war, denn es war unmöglich, mit ihm in den Takt zu kommen.
    Fräulein Steinen zählte: »Eins ... zwei ... drei ... vier ... fünf ... sechs« Lauter aber zählte Annemarie Braun: »Eins ... zwei ... drei ... vier ... fünf ... sechs ...« Bei jeder Zahl schlug sie mit der Linken den Takt auf der Schulter des unmusikalischen Tänzers.
    Und wirklich, das Kunststück gelang. Das Paar blieb im Takt und machte seine Sache zur Zufriedenheit.
    Ein Paar nach dem andern. Das eine geschickt, das andere tolpatschig, bis alle den Tanz konnten. Dann wurden die bereits gelernten Tänze wiederholt. Auch Walzer, Polka und Rheinländer wurden zu Großmamas Beruhigung aus der Vergessenheit hervorgekramt.
    »Damenwahl.« Das ist eine aufregende Angelegenheit für die Jünglinge. Wird »sie«, die Tanzstundenflamme, vor ihm den kleinen Knicks machen? Geht sie vorüber zu einem andern? Einige Jünglingsherzen schlugen rascher, als Annemaries Rosenknospenkleid angehüpft kam. O weh, es hüpfte weiter, an der ganzen Reihe Primaner-und Studentengesichter vorbei. Bis zu den Müttern und Tanten hin, unter denen, an das Klavier gelehnt, Bruder Hans stand. Nesthäkchen versank in einem tiefen Hofknicks. »Darf ich bitten, mein Herr?«
    »Nein, Annemie, das kannst du nicht verlangen, daß ich bemoostes Haupt hier die Lämmersprünge mitmache.«
    Aber es half ihm alles nichts. Annemarie wollte keinen anderen. Hans mußte mit ihr Tango tanzen, begleitet von neidischen Blicken der sitzengebliebenen Verehrer Nesthäkchens. Annemarie strahlte. So fein konnte keiner

Weitere Kostenlose Bücher