Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
Dialekt der Mutter mit dem süddeutschen ihres Vaters zu einem drolligen Gemisch. Sie ließ ihre nützliche Tätigkeit im Stich und trollte sich mit den kleinen Geschwistern in den Garten, wo sie sich damit vergnügten, die Hühner zu jagen.
Annemarie atmete auf. Die Arbeit ging jetzt ohne Hindernisse glatt von der Hand. Eigentlich war sie versucht, die Sandtorte und den Napfkuchen einzurühren, ehe ihre kleinen Ruhestörer ihr wieder auf die Bude rückten. Aber » ein Mann ein Wort«. Sie durfte die Kinder nicht enttäuschen.
Nachdem noch das junge Dienstmädchen, das auf den stolzen Namen Flora hörte, mit einem gehörigen Rüffel dabei ertappt worden war, statt den Parkettboden zu bohnern vor dem Spiegel eine neue Haarfrisur auszuprobieren, konnte »der Guß beginnen«. Als Annemarie die Küche betrat, wurde sie von einem dreifachen Chor: »Wir sind schon da!« freudigst begrüßt. Hansi und Ursel thronten beängstigend brav auf dem Kohlenkasten, ihrem Lieblingssitz, während Vronli das schon bereitgelegte Nudelholz vorläufig mal als Wäschemangel benutzte und sämtliche Küchenhandtücher auf dem Fußboden damit bearbeitete.
»So, Kinder, jetzt dürft ihr mich gar nicht stören, jetzt muß ich meine Gedanken beisammen haben.« Annemarie machte ein wichtiges Gesicht und tat eine Kittelschürze vor.
»Niß tören ...« Die Kinder waren von der Heiligkeit des Augenblicks durchdrungen. Klein-Ursel legte sogar das Fingerchen auf den Mund. »Also Eier, Butter ...«, begann Annemarie.
»Eier, Butter, Tee ... das hab' iß niß, das hab' iß niß ... adßeh ... adßeh ... adßeh ...«, fiel Hansi aus der Rolle und in Muttis Überlegungen ein.
»Kinder, wenn ihr nicht mäuschenstill seid, werdet ihr an die Luft gesetzt«, lachte die Mutter, noch einmal ihr Kuchenrezept wiederholend. »Eier, Butter, Zucker, Mehl, Zitrone, was kommt denn noch in die Sandtorte hinein?« »Sand«, warf Hansi ein.
»Freilich«, Annemarie amüsierte sich köstlich, »der kommt zuletzt.«
»Is nu fätig, tonnen wir nu ausletten?« Viel Sitzfleisch hatte der wilde Hansi nicht. Das
Auslecken der Schüssel war doch die Hauptsache.
»Noch lange nicht. Jetzt wird erst eine ganze Weile gerührt ...«
»Nee ... och nee, das iß sa sreckliß mopsis!«
»Szeklik hopsis!« Ursel war stets ein getreues Echo.
Annemarie kümmerte sich nicht weiter um die Kritik ihres Publikums, sondern mischte mit Eifer ihren Kuchenteig. Die Zuschauer fanden es geraten, auf eigene Faust für ihr Vergnügen zu sorgen.
Das fanden sie sehr bald. Vronli, indem sie die Rosinen, die für den Napfkuchen bestimmt waren, einer eingehenden Kostprobe unterwarf; Hansi auf der Fliegenjagd, die nun mal seine Leidenschaft war; und Klein-Ursel fand ein reiches Feld für naturwissenschaftliche Untersuchungen im Mülleimer. Eine Weile ging alles gut. Bis Mutti auf den unglückseligen Gedanken kam, sich umzudrehen.
»Pfui Deibel, Ursel, du bist ja aber wirklich ein ...« Annemarie hielt mitten im Satz inne. Denn schon klang es ihr »Pfui Beibel!« vom Mülleimer entgegen. Weiter wollte Annemarie den Wortschatz ihres Nesthäkchens doch nicht bereichern. »Vronli, sag mal der Flora, sie möchte flink rühren kommen, sonst kriegt die Sandtorte einen Wasserstreifen, wenn ich sie stehen lasse«, rief die Mutter und säuberte ihr Nesthäkchen, das einem Mistbauern glich.
»Flochen ... Flochen ...«, dieses war der Kosename, dessen sich sämtliche Hartensteinschen Kinder bedienten, »du sollst flink rühren kommen.« »Flochen« kam aber nicht herbeigesprungen, sondern langsam und gemächlich, wie sie alles tat, herangeschlurrt. In demselben Tempo - andante moderato - begann sie auch, die Keule in Bewegung zu setzen.
Als Ursel wieder einigermaßen menschlich war, als man Vronli die Rosinentüte entrissen hatte und als Hansi, der eine erbeutete Fliege als Rosine in den Kuchen tun wollte, unschädlich gemacht worden war, ging es »klinglingling«. »Teleton ... Omama«, sagte Klein-Ursel.
»Ich werde halt 'rangehen«. Vronli, die sich augenblicklich etwas überflüssig in der Küche vorkam, rannte zum Telefon. Annemarie hinterdrein.
Wirklich, es war die Omama - Frau Braun, die ihrem einstigen Nesthäkchen Annemarie täglich wenigstens durchs Telefon »Guten Morgen« sagte.
»Jawohl, Muttichen, wir sind alle munter. Die Gören fast zu sehr ... die haben sich heute schon verschiedenes geleistet. Na, das erzähl' ich dir morgen. Kommt nur nicht so spät. Vater soll sich mal ein
Weitere Kostenlose Bücher