Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
flüsterte ihr übermütig ins Ohr: »Auf gute Nachbarschaft, Herrin von und zu Lüttgenheide!«
»Was? Bist du übergeschnappt, Marlenchen? Oder ... ja, ganz bestimmt, du hast dich ...« Ilse kam nicht weiter, denn der Mund wurde ihr von Marlene zugehalten. »Ach, Ilse, du kannst dir ja gar nicht denken, wie unsagbar glücklich ich bin!« Oh, Ilse konnte sich das durchaus denken. Wäre sie doch jetzt ebenso glücklich gewesen, wenn sie es sich nicht dummerweise verscherzt hätte. Aber Selbstsucht lag Ilse fern. Innig zog sie ihr zweites Ich ans Herz.
»Alles erdenkliche Gute, mein Marlenchen! Mögest du stets so glücklich bleiben wie augenblicklich!«
»Und du, Ilse?« forschte Marlene liebevoll. »Ich weiß doch ganz genau, wie es um dich und Klaus Braun steht ... seid ihr noch nicht im reinen?« »Nee«, meinte Ilse ziemlich bedrückt.
»Es kommt, Ilse, es kommt ganz gewiß. Und wenn's auch nur im Schweinestall ist.« Ja, es kam. Dafür sorgte schon der kleine Götterschlingel, der die ganze Geschichte angezettelt hatte. Er veranlaßte Ilse, die eigentlich heute nicht mehr nach Lüttgenheide hatte hinüber wollen, weil es ihr peinlich war, Klaus gegenüberzutreten, ganz gegen ihren Vorsatz das hübsche, rote Kleid anzuziehen, das ihr besonders gut stand. Marlenchen zu Ehren, redete sie sich selbst ein. Und da Marlene mit Peter einen Dünenspaziergang verabredet hatte, war es doch nur taktvoll, sich aus dem Wege zu gehen.
So schlenderte Ilse durch den Erlengrund nach Lüttgenheide zu. Goldene Funken streute die Nachmittagssonne ihr auf den Moospfad, als wüßte sie, was für einen Weg die Ilse ginge. Wo' durch blühendes Holundergezweig zur kleinen Bergruine, von der aus man den Durchblick aufs Meer hatte, sich aufwärts schlängelte, blieb Ilse unschlüssig einen Augenblick stehen. Sie wußte nicht, was sie hinaufzog. Sie ahnte nicht, daß sie an einem Fädchen, das ebenso rosenrot war wie ihr Kleid, von unsichtbarer Hand hinauf geleitet wurde. Da stand sie plötzlich still - und ihr Herz ebenfalls. An den Mauertrümmern lehnte ein junger Mann in einer gelben Leinenjacke. Er hieb mit seiner Gerte unschuldige Blüten vom duftenden Holunderstrauch. Leise pirschte Ilse sich näher. Der weiche Moosteppich verschlang ihren leichten Schritt. Sollte sie, oder sollte sie nicht?
Noch ehe sie sich selbst die Antwort darauf geben konnte, hatte sie bereits ihre Hände über Klaus' Augen gebreitet. »Wer bin ich?« fragte sie mit verstellter Stimme. Klaus legte seine Hände auf die ihren. »Die zukünftige Herrin von Grotgenheide?« Das klang gepreßt.
Da neigte sie den Kopf zu ihm herab und flüsterte ihm ins Ohr: »Nein, von Lüttgenheide!«
Der Holunder blühte und duftete betäubend. Die beiden schritten Hand in Hand dem künftigen Ilsenheim zu.
Der kleine, in goldene Kornfelder gebettete Bahnhof hatte in all den Jahren, da die Bimmelbahn hier entlanggeleitet wurde, nicht so glückstrahlende Augen zu sehen bekommen wie die von Annemarie am nächsten Tage. Rudis Arme hielten sie so fest, als wollten sie sie gar nicht wieder loslassen; aber ihre Küken machten energisch ihre Rechte geltend.
»Bitte sehr, ihr seid doch nicht verlobt wie Tante Ilse und Onkel Klaus«, erhob Vronli Einspruch.
»Ei, der Tausend ... gratuliere!« Vronli hatte ihren Zweck erreicht. »Doppelglückwunsch, Rudi! An einem Tage haben sich unsere Unzertrennlichen voneinander gelöst. Klaus und Peter, ein jeder hat die seine«, lachte Annemarie. »Zwei Brautpaars, Vaterle, gibt' hier und neun süße Ferkelchens und ...« »Und ein Ziedenbott und Taninßens und ...«
»Muhtuh.« Selbst Klein-Ursel mußte dem Vater die Vorzüge von Lüttgenheide anpreisen.
»Also die ganze G'sellchaft hier verlobt«, belustigte sich Rudi.
»Tante Ilse soll siß defällist wieder ausloben. Immer will se mit Ontel Tlaus setzt erlein passierendehn. Is sa sreckliß!« beschwerte sich Hansi.
»Vaterle, jetzt bleiben wir immer hier. So schön ist's hier. Jetzt gehen wir nie wieder fort, gelt?«
»Wollen halt unser Mutterli fragen, Vronli. Willst auch nimmer wieder heim, Herzle?« Da schmiegte Annemarie fest den blonden Kopf an die Brust ihres Mannes. »Nein, Rudi, so schön, wie' hier auch ist ... am schönsten ist' doch im eigenen Nest!«
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