Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
stimmte in das Lachen ein. »Sie wissen ja gar nicht, was Sie da sagen, Herr Tavares. Lernen Sie nur erst Ihre deutsche Lektion. Sie haben sich mindestens schon ein Dutzend Fehler heute geleistet. Ihre Lehrerin ist sehr unzufrieden mit Ihnen.« Sie hatte ihre gute Laune wieder.
»Oh, so Sie sein lieb«, sagte Milton Tavares über das ganze Gesicht strahlend.
»Marga, dir gefällt es besser bei uns in Deutschland als deinem Bruder, nicht wahr? Du bist nicht so undankbar wie er.«
»Oh, Deitschland gefällt serr«, bestätigte die Brasilianerin. »Aber beste an Deitschland sein du!«
»Allerbeste, das ich sage auch«, rief Milton Tavares lebhaft und begann Ursels linke Wange zu streicheln.
»Was fällt Ihnen denn ein?« fuhr Ursel ihn an, obwohl sie sich im Grunde sehr geschmeichelt fühlte.
»Oh, pardon, ich haben geglaubt, das muß sein, wenn man so sagen«, entschuldigte sich Milton Tavares scheinheilig.
»Na, bei mir im deutschen Unterricht haben Sie das ganz gewiß nicht gelernt. Aber zwei Fehler haben Sie sich wieder geleistet. Wie muß es heißen, Herr Tavares - ich - na?«
»Ich habe geglauben«, Milton Tavares machte dabei ein zerknirschtes Gesicht wie ein kleiner Schuljunge, der einen Tadel von seinem Lehrer bekommen hat.
Wieder mußte die strenge Lehrerin lachen. Man konnte ihm niemals ernstlich böse sein,
dem Brasilianer. Auch Frau Annemarie stimmte in das Lachen über den gelehrigen Schüler ein.
»So, Urselchen, nun geh erst auf dein Zimmer und erfrische dich. Kaltes Wasser kühlt am besten deinen Tropenkoller ab.«
»Tropenkoller? Oh, muß gnädige Frau kommen uns besuchen in Brasilien.« »Ich bin nicht so vergnügungssüchtig, Herr Tavares.« Die beiden blonden Damen, Mutter und Tochter, lachten um die Wette. »Auch ist die Reise mir für diesen Zweck ein wenig zu weit.«
»Ist nicht weit - nur drei bis vier Wochen mit Schiff und dann zu fahren mit Bahn. Aber Donna Ursel muß gehen sehen uns in Sao Paulo. Muß sehen, wie schön, wie herrlich sein unser Land - viel mehr schön als hier!« Da begann er die Ursel schon wieder aufzuziehen. Er fand sie nun mal zu allerliebst, wenn sie wütend wurde.
Diesmal ging Ursel nicht auf den Leim. »Jawohl, ich komme, danke vielmals für die freundliche Einladung. Vier Wochen mit dem Schiff ist ja ganz nah. Nachmittags zwischen Kaffee und Abendbrot komme ich auf eine Stippvisite.« Übermütig war sie davon.
»Wird Sie kommen sicher?« erkundigte sich Milton eifrig bei der Mutter.
»Aber Herr Tavares - drei bis vier Wochen Seefahrt bedeuten eine Weltreise. Sie machen sicher nur Scherz«, meinte Frau Annemarie lächelnd.
»Nein, ist wahr, ist ernst - Donna Ursel muß kommen in Brasilien«, beharrte er.
»Ja, muß bleiben da - ist mein liebes Freundin«, fiel auch Margarida ein.
»Ich würde mein Kind niemals so weit fort übers Meer lassen«, sagte Frau Annemarie in bestimmtem Ton. Was war es nur, was da plötzlich ihr Mutterherz in jähem Schrecken durchzuckt hatte? Was ließ sie so energisch Front machen gegen einen Scherz, eine Kinderei? Ach Unsinn. In ein, zwei Jahren waren die beiden Tavares wieder in Südamerika in ihrem Kaffeereich. Sie bildeten lediglich eine Episode in Ursels Leben.
Und warum sollte sie dem Kinde nicht den Verkehr mit den liebenswürdigen, jungen Ausländern gönnen, die solchen Gefallen an Ursel gefunden hatten? Und in musikalischer Beziehung profitierte Ursel mindestens soviel dabei wie die Brasilianer. Sowohl in der Klavierstunde, die sie Margarida erteilte, als auch beim Zusammenspiel mit dem Bruder. Und wie viele Annehmlichkeiten erwuchsen ihren beiden Kindern aus dieser Freundschaft. Nie besorgten die beiden Tavares für sich allein Opern-, Theater- oder Konzertkarten. Stets mußten Ursel und Hans Hartenstein daran teilnehmen. Milton und Marga behaupteten, allein mache es ihnen gar keine Freude. Und da das Geld absolut keine Rolle bei ihnen spielte, zog man stets zusammen los. Das war so recht was für Ursel. Sie schwelgte jetzt in Opernaufführungen, die früher für sie nur selten erschwingbar gewesen waren. Sie träumte sich in eine jede Rolle hinein. Sie sang im Wachen und im Traum die Opernarien, die sie gehört hatte. Der Vater hatte schon öfters mal dagegen einschreiten wollen. Ihm war es nicht recht, daß seine Kinder solch ein Leben kennenlernten und Gefallen daran fanden. Hansi schadeten die vielen Vergnügungen, da er dadurch die Schule vernachlässigte, wo er ohnehin kein besonderer Schüler war. Und
Weitere Kostenlose Bücher