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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Tavares viel lieber in Berlin geblieben, was auch Ursel netter gefunden hätte. Aber Frau Annemarie hatte ihm vorgestellt, daß er die junge, unselbständige Schwester, die noch nicht einmal der deutschen Sprache mächtig war, nicht allein in die Welt hinausfahren lassen könne. So waren sie nun beide fort, schon seit vierzehn Tagen. Ursel erschien es eine Ewigkeit. Wie ihr die gemeinsamen Musikabende fehlten! Ganz vereinsamt kam sie sich vor. Und doch hatte es noch vor kurzem eine Zeit gegeben, wo sie noch gar nichts von den Tavares gewußt hatte. Wie sollte das erst werden, wenn die Freunde mal endgültig Deutschland verließen und in ihre Heimat zurückkehrten? Ursel mochte gar nicht daran denken. Ihre beiden Schulfreundinnen Edith und Ruth hatte sie um der neuen Freundschaft willen arg vernachlässigt. Nun hatte sie ja wieder mehr Zeit, sich ihnen zu widmen, wenn sie nicht mehr jeden Morgen in ihren Käfig mußte. Am Tage freilich waren die beiden Freundinnen beruflich beschäftigt. Nun, sie würde auch nicht zu Hause herumsitzen. Jetzt würde sie ernstlich Musik studieren, alle Kraft einsetzen, etwas zu erreichen. Des Vaters Versuch, sie in einen kaufmännischen Beruf zu pressen, war jämmerlich gescheitert. Wenn nur nicht das beklommene Gefühl gewesen wäre, da irgendwo in der Kehle, als ob sie ihr plötzlich zu eng geworden sei. Die Schritte des entlaufenen Banklehrlings wurden langsamer und immer langsamer, je mehr sich Ursel der elterlichen Villa näherte.
    In dem Biedermeierzimmer mit den hübschen Möbeln hatte Frau Annemarie Teebesuch von ihrer Freundin Margot Thielen. Die beiden Damen hatten sich heiße Backen geredet. Ihre lebhafte Unterhaltung brach jäh ab, als Ursel die Tür öffnete.
    »Nanu? Heute schon so früh, mein Herzchen? Auguste kann dir noch eine Tasse Kakao kochen. Hier hast du Kuchen dazu. Und dann laß uns noch ein Weilchen allein, Kind. Tante Margot hat etwas Wichtiges mit mir zu besprechen.«
    »Nanu?« dachte jetzt Ursel. Auch hier wurde sie rausgeworfen - heute nun schon zum zweiten Male. Die Mutter ließ ihr kaum Zeit, ihren Gast zu begrüßen. Nein, wie Tante Margots sonst so blasse Wangen brannten. Ging es der am Ende so wie ihr, war sie etwa auch an die Luft gesetzt worden? Onkel Hans hatte es ja schon mit verschiedenen Wirtschafterinnen und Hausdamen so gemacht. Jedenfalls war es ganz gut, daß Mutti von Tante Margot so stark in Anspruch genommen war, daß sie gar kein Interesse dafür hatte, warum ihre Tochter heute zu so ungewohnt zeitiger Stunde aus dem Büro heimkehrte. Erleichtert machte Ursel die Tür hinter sich zu. Wenn sie auch gar zu gern gewußt hätte, ob Tante Margot in der Tat rausgeflogen sei.
    Das junge Mädchen konnte nichts dafür, daß das Tischchen, an dem sie sich mit Cäsar und ihrem Kakao und Kuchen auf der Terrasse niederließ, gerade unweit des geöffneten Fensters stand, das zu dem Biedermeierzimmer führte. Sie konnte sich doch auch unmöglich die Ohren verstopfen, um nichts von dem Gespräch der beiden Damen zu erlauschen. Im Gegenteil, Ursel spitzte ihre rosigen Ohren angestrengt und fand es rücksichtslos, daß man drinnen im Biedermeierzimmer so leise sprach. Trotzdem drangen Bruchstücke der Unterhaltung bis auf die Terrasse hinaus.
    »Siehst du, Annemarie, deshalb bin ich zu dir gekommen«, hörte Ursel Tante Margot mit gedämpfter Stimme sagen. »Ich weiß, du bist immer ehrlich. Gib mir auch heute deinen ehrlichen Rat. Sag, ist es nicht besser, ich verlasse das Haus?« Na also! Die schlaue Ursel hatte es ja gewußt, daß es darauf hinauslief. »Du bist ja ganz und gar nicht gescheit, Margot«, hörte Ursel jetzt ihre Mutter laut und lebhaft sagen. »Deshalb willst du Hans und seine Jungen im Stich lassen? Wo du ihnen nun endlich wieder ihr Heim und ihr Leben freudig gestaltet hast? Hältst du meinen Mann wirklich für so grausam?«
    Ursel biß nachdenklich in ihre Brezel. Was hatte denn ihr Vater mit der Angelegenheit zu tun? Vielleicht hatte sich Mutti nur versprochen und wollte »mein Bruder« sagen. Ja, so war es sicher. Schade, daß man nicht verstand, was Tante Margot entgegnete. Sie sprach wirklich unerhört leise.
    Mutters Stimme klang hell und laut. »Nein, Margot, Rudi -« also doch der Vater »wird ebenso glücklich sein wie ich, daß er Hans und die Jungen bei dir so gut aufgehoben weiß. Keine bessere, keine würdigere könnte er an die Stelle seiner Schwester Ola setzen.« Ursel zuckte die Achsel. Das war doch schon was Altes,

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