Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel
zuerkannt haben, wenn ich so zeitig aus den Federn gefunden hätte«, setzte Frau Ursel den Neckereien des Gatten entgegen.
»Bei uns daheim - ja, Ursel, wo bist du denn daheim?« Milton Tavares zog die Augenbrauen hoch.
»Im Tropenlande, mein Herr Tyrann, wenn meine Gedanken auch manchmal in ein kleines deutsches Haus, das jetzt in Schneebetten vergraben liegt, entwischen.« »Und unsere Überraschung, Papi? Du hast uns auf heute vertröstet. Wo bleibt die Überraschung?« bestürmte Anita den Vater.
»Kleine Ungeduld! Pedro wird sie sogleich bringen.« Der Mulatte eilte auf einen Wink seines Herrn davon und kam mit einem Bambuskörbchen zurück, das rosenrot abgefüttert war und eine Seidendecke in derselben Farbe besaß, zurück.
»Ein Kind?« fragte Anita zweifelnd und zog fürwitzig die Decke herab. »Ach, ein Affchen, ein süßes Affchen - gehört es mir, ja, Papi? Mir ganz allein?«
»Euch beiden - ihr seid doch Zwillinge. Nun, Jetta, freust du dich auch über den neuen kleinen Hausgenossen?«
»Nein, gar nicht!« Marietta war unwillkürlich einen Schritt zurückgewichen. »Ich mag Affen nicht.« Sie mochte nicht gestehen, daß sie sogar eine Scheu vor ihnen hatte. »Aber der hier ist doch süß! Ein ganz junges Äffchen, nicht wahr, Papi? Und so zahm ist er! Ich werde ihn Jimmy nennen.« Anita reichte ihm ihre schlanke Hand hin, in die der Affe seine braune, langfingerige legte.
»Marovilhosa - er ist wundervoll! Ein entzückendes Tierchen! Alle vornehmen Damen besitzen ein zahmes Äffchen. Vielen, vielen Dank, Papi.« Begeistert küßte Anita dem Vater beide Wangen.
»Nun, und wo bleibt dein Dank, Marietta? Willst du den kleinen braunen Burschen nicht auch bewillkommnen?«
Marietta legte die Hände auf den Rücken und trat in deutlicher Abneigung noch einen weiteren Schritt zurück.
»Sie hat Angst! Unsere große Jetta hat Angst vor dem kleinen Äffchen«, lachte Anita sie aus.
»Eine Tavares hat keine Angst«, sagte der Vater in bestimmtem Tone. »Geh, schau dir das Tierchen mal näher an, Marietta. Es tut nichts.«
Anita hatte den braunen Gesellen aus seinem rosigen Bettchen genommen und hielt ihn der Schwester entgegen.
»Sei lieb, Jimmy, streichle die Jetta.«
Mit der braunen Affenhand wollte sie Mariettas zarte Wange berühren. Aber schreiend wich diese zurück. Der Affe, erschreckt über ihren Schrei, machte einen Satz auf das junge Mädchen zu und versetzte ihm ein paar Ohrfeigen. Marietta schrie wie am Spieß. Der Affe sprang die Terrassenstufen auf allen vieren hinab, hast du nicht gesehen den schlanken Schaft einer Palme hinauf und sah nun von dort oben der Weiterentwicklung der Dinge zu. Anita hielt sich die Seiten vor Lachen. Auch der Vater stimmte in ihr Lachen ein. Der Anblick war unglaublich komisch. Bei Frau Ursel überwog das mütterliche Mitleid. Sie zog das erschreckte Mädchen zu sich heran und beruhigte es zärtlich. »Jetta, Mädelchen, wer wird denn so ängstlich sein. Das Äffchen tut nichts, wenn du es nicht reizt. Obgleich ich gestehen muß, daß mir der vierbeinige Familienzuwachs auch nicht gerade sympathisch ist.«
»Gräßlich unsympathisch ist er - horrible indeed!« meinte Miß Smith.
»Wenn du den Affen nicht magst, verschenken wir ihn, Ursel«, stimmte ihr Mann sofort bereitwillig bei.
»Nein - nein, das tust du mir nicht an, Mammi. Ich bin ganz selig über ihn. In Europa halten sich die Damen ein Schoßhündchen oder einen Papagei oder einen Vogel im Käfig. Laß mir doch auch meinen Affen. Tante Margarida hat auch einen«, bat Anita lebhaft. »Nun, hier draußen auf der Fazenda mag er meinetwegen bleiben. Aber in das Haus darf er nicht.« Die Mutter wollte jedem ihrer Kinder gerecht werden. Man konnte Anitas tiefblauen Augen nur schwer etwas abschlagen.
»Ich mag keine nervösen jungen Damen, Marietta«, äußerte sich der Vater. »Für dich ist es mir besonders lieb, daß die Mutter dem neuen Hausgenossen ein Plätzchen auf der Fazenda gestattet. Du mußt dir die kindische Furcht abgewöhnen. Amerikanische Mädchen dürfen keine zartbesaiteten Nerven haben.«
Anita schlang den Arm um die Schwester. »Du wirst dich schon an Jimmy gewöhnen, Jetta. Er ist ja so niedlich. Er soll dich auch ganz gewiß nicht mehr streicheln, wenn es dir unangenehm ist.«
Jimmy wurde durch eine Banane von seinem hohen Auslug herabgelockt. Und als er so possierlich die Banane mit Händen und Zähnen abzuschälen begann und die Schalen dann der unglücklicherweise zunächst
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