Nestor Burma in der Klemme
Schwein namens Barton?“
Überrascht von dem vulgären Ton, antwortete ich
erst mal mit einer Gegenfrage:
„Warum nehmen Sie an, daß ich mich für diesen
Mord interessiere?“
„Unwichtig. Ich weiß es, und das genügt. Ich bin
nicht gekommen, um mit Ihnen darüber zu diskutieren.“
„Sie sind weder hier, über das zu diskutieren
noch über jenes, was die Höflichkeit der Kö... äh... der Privatdetektive
betrifft. Da drängt sich die Frage auf, Madame Bourguet, über was Sie mit mir
zu diskutieren wünschen...“
„Das wissen Sie ganz genau“, fauchte sie. Das
nervöse Zucken kehrte in immer kürzeren Abständen wieder. „Kurz und gut,
Monsieur Bur...“
Ich fiel ihr ins Wort, um ihr mit meinem
brillanten Scharfsinn zu imponieren und das Maul zu stopfen. Die Zeitung in
ihrer Hand hatte mich auf eine Idee gebracht.
„Sagen Sie, lesen Sie diese Zeitung jeden Tag?“
fragte ich.
„Ja, aber...“
„Sie sind nicht hier, um darüber zu diskutieren,
ich weiß... In der gestrigen Ausgabe haben Sie mitten in dem Artikel über
Barton die Anzeige meiner Agentur gesehen. War übrigens reiner Zufall. Daß die
Anzeige mitten in dem Bericht auf der Titelseite erschienen ist, meine ich.
Mein Name ist etwas ungewöhnlich. Sie haben ihn behalten. Abends dann haben Sie
ihn auf meiner Visitenkarte gesehen. Nachdem Sie nämlich hinter der Gardine den
Abgang des geheimnisvollen Besuchers, der ich für Sie sein mußte, beobachtet
hatten, haben Sie sich bei Ihrem Butler nach mir erkundigt. Der Zusammenhang
zwischen Barton, Thévenon, Dynamit-Burma und Ihrem Mann war schnell
hergestellt. Dem letzteren haben Sie meinen Besuch natürlich verschwiegen,
stimmt’s? Lieg ich mit meiner Geschichte richtig?“
Überwältigt von dem Redeschwall und meiner
Kombinationsgabe, sagte sie „Ja“, was wohl die Antwort auf beide meiner Fragen
war. Ich schickte gleich noch eine hinterher:
„Wie sind Sie darauf gekommen, daß mein Name was
mit den anderen zu tun haben könnte?“
Sie trommelte nervös mit den Fingern auf ihrem
Knie herum. Ihr Gesicht verzerrte sich.
„Das wissen Sie ganz genau“, zischte sie.
Ich sah tatsächlich einen schwachen
Lichtschimmer. Schonungslos ging ich aufs Ganze:
„Ich wollte von Ihrem Mann erfahren, warum er
damals nicht wollte, daß sein Name rausposaunt wurde. Vielleicht können Sie mir
da weiterhelfen?“
„Jetzt reicht’s!“ schrie sie und stand auf. „Es
reicht! ... Reicht das?“
Der Wechsel im Tonfall wurde von dem Geräusch
unterbrochen, das üblicherweise entsteht, wenn ein Bündel Geldscheine auf einen
Schreibtisch geworfen wird. In diesem Fall waren es Hunderter und
Fünfhunderter.
„Spielen Sie öfter den Guten Engel für
Bedürftige?“ fragte ich lachend.
Madame Bourguet antwortete nicht.
„Wie Sie wollen! ... Nächste Frage: Warum
bezeichnen Sie Henri Barton als Schwein?“
In ihren Augen flackerte wilder Haß auf. Sie
öffnete den Mund, schloß ihn wieder. Die Zuckungen an ihrem Hals wurden
heftiger. Sie wurde aschfahl... und glitt zu Boden wie ein nasser Sack.
Ich rief Hélène zu Hilfe. Sie kam hereingestürzt
und pfiff anerkennend durch die Zähne.
„Also wirklich, Sie legen sich die Damen ja ganz
nach Maß zurecht“, sagte sie grinsend.
„Sparen Sie sich Ihre Scherze. Wir können ein
andermal darüber lachen. Helfen Sie mir lieber bei der Wiederbelebung. Aber
vorher... hier!“
Ich hielt meiner Sekretärin einen der
Geldscheine unter die Mase. Ganz dicht. Meinem eigenen Riecher traute ich noch
nicht so ganz.
„Wonach?“ fragte ich.
„Dernier Soir “, entschied Hélène
ohne Zögern.
Ich holte ein Taschentuch hervor.
„Und das hier? Dernier Soir ?“
„Oh, nein! Ich...“
„Das genügt im Augenblick. Später hör ich mir
gerne einen Vortrag über Duftwässerchen an.“
Hélène begann mit den Wiederbelegungsversuchen,
ich mit der Untersuchung von Madame Bourguets Handtasche. Es gab jedoch nichts
Interessantes zu entdecken, außer diesem penetranten Parfümduft.
Meine Besucherin kam wieder zu sich. Ihre Lippen
bewegten sich schwach. Ich beugte mich zu ihr hinunter, konnte aber nichts
verstehen.
„Eben hat sie einen Namen gemurmelt“, wußte
Hélène zu berichten. „Fred oder so ähnlich.“
„Alfred“, präzisierte ich. „Alfred Thévenon.
Diese Frau hier, liebe Hélène, war seine Geliebte.“
„Oh!“
Vor Überraschung vergaß Hélène, Madame Bourguets
Oberkörper abzustützen. Der Kopf schlug auf dem Boden auf.
„Um Gottes
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