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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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nichts mehr. Sie atmete
tief und hing ihren Träumen nach. Das nervöse Zucken hielt an. Krampfartig
traten die Halsmuskeln hervor, das Kinn schoß nach vorne. Ein scheußlicher
Tick!
    „Eine Spätfolge des Abenteuers, hm?“ fragte ich
leise.
    Sie schloß die Augen. Das konnte ja oder nein
heißen. Plötzlich erhob sie sich, wie ein Roboter, und machte Anstalten zu
gehen. Ich nahm das Geldbündel vom Schreibtisch.
    „Oft das Opfer von Erpressern gewesen?“
    Sie stieß ein hysterisches Lachen aus.
    „Haben Sie Angst, daß Sie zu spät gekommen sind,
daß andere vor Ihnen abkassiert haben?“ schrie sie.
    „Wenn jemand wie Sie sich mit vielen kleinen
Geldscheinen bewaffnet, könnte man auf eine gewisse Übung in solchen Dingen
schließen“, erklärte ich.
    „Hab irgendwo gelesen, daß es so gemacht wird.“
    „Lesen Sie viel?“
    „Ja.“
    „Auch amerikanische Literatur?“
    „Ja.“
    „Kennen Sie vielleicht die Geschichte von dem
Chicago-Dollar?“
    „Nein.“
    Sie wollte ganz gerne abhauen. Verständlich. Ich
drückte ihr die Geldscheine in die Hand.
    „Auf Wiedersehn. Schließlich bin ich ja nicht
der Chef von I.D.U.S.“, sagte ich lachend.
    „Aber... Wollen Sie damit sagen, daß ich
Ihnen...“
    „...indiskrete Hinweise gegeben habe“, ergänzte
ich, „mehr nicht. Aber ich nehme kein Schweigegeld.“ Ich schob sie sanft zur
Tür. „Keinen Sou. Gehen Sie nach Hause. Ich rufe Sie eventuell in den nächsten
Tagen an.“
    Sie stolperte hinaus.
    „Da sehen Sie mal, wohin die Liebe einen
Menschen bringen kann“, sagte Hélène. „Passen Sie gut auf sich auf, Chef!“
    „Armes Weib“, murmelte ich. „Aber reden wir
lieber über den letzten Abend. Ich meine über Dernier Soir, das Parfüm.
Was wissen Sie darüber?“
    Hélène verzog das Gesicht und erklärte
verächtlich, aber sachkundig:
    „Die Frauen reißen sich darum. Zuerst wollte es
keine haben, aber heute benutzen es acht von zehn Frauen. Und bei der Werbung,
die der Produzent macht, werden sich bald auch noch die letzten zwei überzeugen
lassen.“
    „Sie kennen sich ja gut aus.“
    „Ich war eine der wenigen, die es schon vor dem
Krieg benutzt haben. Als sich dann jedes Dienstmädchen damit zugeschüttet hat,
bin ich auf eine andere Marke umgestiegen.“
    „Was haben Sie gegen dienstbare Geister? Hier im
Büro zum Beispiel könnte ich so eine Perle gut gebrauchen! Und sei’s nur, um
meine Pfeifen zu sortieren... In diesem Durcheinander finde ich nie meinen
Stierkopf, wenn ich ihn suche Das stimmte wirklich. Meine Pfeife mit dem
vielbewunderten Stierkopf war wie vom Erdboden verschluckt! Ich ging
systematisch vor. Ohne Erfolg. Für einen Detektiv ist so was verdammt
demütigend!

15

Die
Belegschaft der Agentur Fiat Lux
     
    Es war kurz nach elf. Ich hatte mich soeben
davon überzeugt, daß die Haare, die sich heute morgen auf meinem Kopfkissen
gefunden hatten, ihre wunderschöne, kastanienbraune Farbe einzig und allein
Mutter Natur verdankten. In diesem Augenblick läutete es an der Tür. Pierre
Friant, Anwärter auf die offene Stelle in der Agentur Fiat Lux, stellte
sich vor: ein Mann mittleren Alters, mit abstehenden Ohren und ungefälligen
Gesichtszügen, schlecht rasiert und hektisch. Seine Augen blickten neugierig
umher, wirkten aber ziemlich angegriffen... wie sein Anzug. Gierig sog er den
Tabakgeruch ein, den meine Pfeife verbreitete, und seufzte tief. Dann leierte
er sein Märchen herunter, so als hätte er’s auswendig gelernt. Ich hörte mir
die Geschichte an und fragte nach Referenzen.
    „Ich hoffe, Sie erwarten keine Wunder“,
antwortete er ausweichend. „Ich bin nämlich neu in dieser Branche, müssen Sie
wissen. Mit meinen vierzig Jahren hört sich das vielleicht lächerlich an,
aber... na ja, ich würde jede Arbeit annehmen. Ich brauche Geld.“
    Das glaubte ich ihm aufs Wort. Bei seinen ersten
Sätzen hatte ich so meine Zweifel.
    „Ich brauche dringend eine Hilfskraft“, sagte
ich. „Sie können probeweise hier anfangen. Meine Sekretärin wird Sie mit etwas
Leichtem beauftragen. Sagen Sie ihr, sie soll Ihnen eine Bürste für ihre Hose
und eine zweite für Ihre Schuhe geben. Und vertauschen Sie Ihre Mütze gegen
eine etwas weniger auffällige Kopfbedeckung! Außerdem... Falls der Grund für
Ihren Viertagebart kein Gelübde ist, dann lassen Sie sich mal rasieren!“
    Er machte sich auf den Weg, um einem unserer
neuen Kunden einen denkbar schlechten Eindruck von der Agentur zu vermitteln.
Ich bat Hélène, alle

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