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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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unseren
Köpfen. Wir schwiegen. Ich versank in Träumereien.
    „Woran denken Sie?“ fragte ich plötzlich.
    „An nichts. Und Sie?“
    „Woran soll ich schon denken!“ antwortete ich
mürrisch.
    Der Zwerg, Barton, I.D.U.S. und noch einige
andere tanzten eine wilde Sarabande in meinem Kopf. Ich konnte sie nicht
bremsen.
    Lydia verstand meine Bemerkung jedoch falsch.
Wie eine Schmusekatze räkelte sie sich. Ihre gestreckten Arme und Beine
zitterten. Ihre Brust hob und senkte sich unter der Seidenbluse. Herausfordernd
sah sie mich an.
    „Tja“, seufzte sie mit einem zauberhaften
Lächeln, „woran denkt ein Mann, wenn er mit einer Frau zusammen ist? Worauf
zielt sein ganzes Verhalten ab?“
    „Also...“ stammelte ich.
    Ich stand auf. Mein Kopf war leer und schmerzte,
was vom Rum und vom Schnupfen herrührte. Letzterer zwang mich außerdem, durch
den Mund zu atmen. Dadurch ähnelte ich wohl weniger Rudolfo Valentino als
vielmehr einem Fisch. Mein Sex-Appeal hatte schon mal bessere Tage gesehen...
Aber egal...
    „Lydia“, flüsterte ich und ging zu dem Sessel,
in dem sie mich erwartete.
     
    * * *
     
    Eine schrille Klingel riß mich aus dem Schlaf.
Ich schlug auf den Knopf meines Weckers. Es klingelte wieder. Telefon. Ich
knipste die Nachttischlampe an. Von Lärm und Licht im Schlaf gestört, drehte
sich Lydia auf die andere Seite. Ich sah auf die Uhr: gleich vier. Ich hielt
den Hörer ans Ohr.
    „Monsieur Burma?“
    Noch ‘ne Frau!
    „Ja, am Apparat. Wer...“
    „Hier Madame Bourguet. Ich war sicher, Sie um
diese Uhrzeit zu erreichen. Wie ich gehört habe, wollen Sie heute im Laufe des
Vormittags meinen Mann besuchen?“
    Sie sprach abgehackt, nervös, leise.
Wahrscheinlich hielt sie ihre Lippen direkt an die Muschel. Sie artikulierte
überdeutlich, damit sie das Gesagte nicht noch einmal wiederholten mußte.
Jemand, der von dem Gespräch nichts mitkriegen sollte, schlief wohl ganz in
ihrer Nähe.
    „Das ist richtig“, antwortete ich auf ihre
Frage.
    „Ich würde mich gerne vorher mit Ihnen unterhalten.
Kann ich zu Ihnen ins Büro kommen, sagen wir um halb zehn?“
    „Ja.“
    Ohne weitere Höflichkeitsfloskeln legte sie ganz
sachte den Hörer auf die Gabel. Ich auch, aber etwas heftiger.
    Ich war einigermaßen perplex.

14

Die
Frau mit dem Schleier
     
    Die von Faroux, Covet & Co. empfohlene
Anti-Grippe-Kur half tatsächlich. Ich merkte das fünf Stunden später, als ich
in der Metro saß und den üblichen Gestank wahrnahm. Ich hatte ausgiebig Zeit,
um meinen Geruchsinn zu testen. Eine Betriebsstörung hielt die Fahrgäste lange
unter der Erde gefangen. Ich kam zu spät zu meinem Rendezvous.
    Hélène mußte lachen, als sie mich sah, und
reichte mir ein Taschentuch.
    „Sie beginnen ja reichlich früh am Morgen mit
Ihren Abenteuern“, bemerkte sie. „Wischen Sie sich den Mund ab. Ich möchte hier
in der Agentur kein Eifersuchtsdrama erleben! Seit zwanzig Minuten wartet
nämlich nebenan die Nächste...“
    Außerdem habe sich jemand auf die Stellenanzeige
gemeldet, fügte meine Sekretärin hinzu. Friant heiße er, mache aber einen so
windigen Eindruck, daß sie nicht das Risiko einer Einstellung auf sich nehmen
wolle. Der Mann werde noch einmal vorbeikommen.
    Ich verwischte die Spuren des Abschiedskusses
von Lydia und ging hinüber in mein Büro.
    Madame Bourguet saß auf dem Besucherstuhl an der
Wand, in der behandschuhten Hand eine Ausgabe des Journal de Paris. Sie
war dreißig Jahre alt, elegant unauffällig gekleidet, vielleicht eine Idee zu
streng. Ihr hübsches, ungeschminktes Gesicht wäre vollkommen gewesen ohne die
verbitterte Falte um den Mund und das nervöse Zucken, das regelmäßig ihren Hals
befiel und ihren Kopf erzittern ließ. Die Frau machte einen leidenden
Gesamteindruck.
    Ich entschuldigte mich für mein Zuspätkommen und
schlug ihr vor, den Stuhl doch gegen einen bequemeren Sessel einzutauschen. Vor
allem bat ich sie um die Erlaubnis, rauchen zu dürfen. Mein Schnupfen
jedenfalls hatte nichts dagegen. Er befand sich auf dem Rückzug.
    Madame Bourguet setzte sich mit halbem Hintern
auf den angebotenen Sessel. Ihre Haltung verriet, daß sie nicht ewig hierbleiben
wollte.
    „Von mir aus können Sie ruhig qualmen, wenn’s
Ihnen Spaß macht“, sagte sie mit einem verächtlichen Grinsen. „Hätte nicht
gedacht, daß Leute Ihres Schlages so förmlich sind. Aber ich bin nicht hier, um
darüber zu diskutieren... Monsieur Burma, warum interessieren Sie sich für den
Mord an diesem

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