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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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willen!“ rief ich. „Deswegen brauchen
Sie sie doch nicht gleich umzubringen.“
    Der Aufprall brachte die Frau nicht um. Im
Gegenteil. Ihre Rückkehr ins Leben wurde beschleunigt. Sie hob den Kopf und
blickte verstört um sich. Mit vereinten Kräften setzten wir sie in den Sessel.
Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in beide Hände.
    „Mein Gott... mein Gott... Haben Sie doch
Mitleid mit mir!“ stieß sie hervor. „Hören Sie endlich auf, mich zu quälen.“
Ich wußte: Wenn ich jetzt noch etwas Gas geben würde, könnte ich interessante
Dinge erfahren. Ich wählte einen ganz besonderen Tonfall und legte mit
schneidender Stimme los:
    „Sie waren Thévenons Geliebte! Und Sie waren
auch die geheimnisvolle Frau, die zu ihm ins Taxi gestiegen ist. Ihr Mann ist
‘n anständiger Kerl und wollte Ihnen aus der Patsche helfen. Hat Sie nicht mal
nach der Taxi-Episode zum Teufel gejagt. Denn er wußte natürlich sofort, wer
die Frau mit dem Schleier war! Und weil er so’n anständiger Kerl ist, wollten
Sie ihm schmerzliche Erinnerungen ersparen. Deshalb sind Sie hier, stimmt’s,
oder hab ich recht?“
    „Sie wissen ja schon... alles“, flüsterte sie.
    „Nein, alles noch nicht! Zum Beispiel wüßte ich
gerne, ob Thévenon Ihnen das Versteck der vier fehlenden Goldbarren verraten
hat.“
    „Interessiert Sie das tatsächlich?“
    „Unter anderem, ja. Außerdem interessiert mich
tatsächlich, wer Barton umgebracht hat.“
    „Der hat gekriegt, was er verdiente“, spuckte
Madame Bourguet buchstäblich aus.
    „Tja, den Verlust können wir allerdings gut
verschmerzen“, stimmte ich ihr zu. „Aber warum hat er eigentlich dieses Ende verdient?“
    „Weil er für Alfreds Hinrichtung verantwortlich
ist.“
    „Sie haben Thévenon geliebt“, schimpfte ich.
„Dabei war er ein Gangster, ein Krimineller, ohne einen Funken Ehre im Leib! Er
hatte keine Skrupel, Sie in diese Goldzug-Geschichte hineinzuziehen, indem er
Ihren Wagen als Fluchtauto benutzte. Und dann waren Sie auch noch so verrückt,
ihn auf seiner letzten Spazierfahrt durch Paris zu begleiten!“
    „Ich habe Alfred immer geliebt“, flüsterte sie
mit unangenehm monotoner Stimme. „Nur einmal, da hab ich ihn abgewiesen. Und da
begann alles Übel! Er war verzweifelt. In dieser Situation hatte er die Idee
mit dem Goldraub: Es war Selbstmord... ein Selbstmord, der seiner Mentalität
entsprach. Ich wußte, daß er ein Betrüger war. Er hatte es mir selbst erzählt.
Aber er hat niemals jemand umgebracht! Dennoch trug er einen Revolver bei sich.
Ich hab ihm die Waffe weggenommen. Wie dumm von mir! So etwas kann man sich
leicht wiederbeschaffen... Er selbst hat unseren Wagen nicht gestohlen, sondern
einer seiner Komplizen. Ein unglücklicher Zufall! Er hat mir alles im Taxi
erzählt. Deshalb hat er diesen Komplizen auf der Flucht erschossen, wegen
seiner unfreiwilligen Dummheit. Die Beschreibung eines der Fluchtautos paßte
auf unseren Wagen, und sofort wußte ich, daß Alfred in den Raub verwickelt war.
Die Schuld habe ich! Wenn ich ihn nicht herablassend behandelt hätte...
Verzeih, Julien! Ich liebe Alfred, er ist der Mann, den die Polizei sucht. Der
Gast unseres Hauses! Das darf nicht bekannt werden. Ja, du hast recht. Es ist
besser, wenn unser Name so wenig wie möglich genannt wird. Du hast recht, ja.“
    Sie schwieg. Ihr Blick stierte ins Leere. Eins
der wenigen Autos, die im Paris der Kriegsjahre fuhren, hupte an der Kreuzung.
    „Ich bin nur aus Mitleid ins Taxi gestiegen“, fuhr
Madame Bourguet fort, „aber jetzt weiß ich, wie sehr ich dich liebe. Ich werde
dich immer lieben, egal was geschieht! Flieh mit mir! Alles ist verloren? Du
willst dich stellen? Dadurch wird alles kürzer? Genau einen Kopf kürzer,
hahaha! Deinen Kopf! Ich liebe dich, Alfred! Ich liebe dich! Ich werde nie
aufhören, dich zu lieben!“
    Einen Augenblick fürchtete ich, sie würde wieder
in Ohnmacht fallen. Sie riß die Augen weit auf, die Züge ihres blassen Gesichts
erschlafften, ihr Hals zuckte immer wilder. Die Frau schien aus einem Traum zu
erwachen. Ich begriff: Ihr Bewußtsein hatte sich einen Moment lang getrübt.
    „Habe ich nicht schon genug durchgemacht?“
schluchzte sie.
    Hélène tätschelte beruhigend ihre Hände. Sie
ließ sich das gefallen, sah aber nur mich an.
    Ja, schon gut“, murmelte ich. „Sobald Sie sich
besser fühlen, gehen Sie nach Hause. Ich werde Ihren Mann nicht besuchen. Was
ich wissen wollte, haben Sie mir erzählt.“
    Madame Bourguet sagte

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