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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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den Mann loszulassen, sagte ich:
    „Im Grunde genommen versteh ich Sie sehr gut.
Wenn Sie keinen Tabak haben, werden Sie verrückt. Das ist mir heute morgen
sofort aufgefallen, als Sie den Rauch aus meiner Pfeife so gierig eingeatmet
haben. Sie waren ganz krank vor Entzugserscheinungen. Aber Tabak ist teuer, und
Sie waren blank! Es gibt keinen Grund dafür, daß Sie plötzlich reich geworden
sind. Einen Vorschuß hat meine Sekretärin Ihnen ja nicht gegeben. Trotzdem
haben Sie für 250 Francs Zigaretten in der Tasche. Besser gesagt, für 125. Ein
Päckchen haben Sie sozusagen an einem Stück geraucht. Das passiert immer, wenn
man zu lange gelitten hat. Und die Kippen, die Sie für schlechtere Zeiten
aufbewahrt haben, sind winzig, fast bis ganz zu Ende geraucht. Ihre Finger
waren heute morgen noch nicht so gelb! Also: Wo haben Sie sich das dafür nötige
Geld besorgt?“
    Er begann einen Satz. Ich nehme an, er wollte
mich bitten, mich um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Ich nehme es an,
denn er kam nicht weit. Meine Laune war nicht danach, irgend jemand ausreden zu
lassen. Meine Faust traf den neuen Angestellten der Agentur Fiat Lux am
Kinn. Er ging zu Boden. Hélène stand lächelnd dabei und beobachtete die Szene.
Ich ließ dem Kerl keine Zeit, sich wieder hochzurappeln. Mit einem Satz war ich
bei ihm und stemmte ihm mein Knie auf die Brust.
    „Monsieur Friant“, schrie ich, „Sie sind nicht
gerade ein Ausbund an Ehrlichkeit! Ich hab mich bei Lucien Arribore erkundigt,
und in Ihrem Fall hat er sich mal nicht geirrt. Sie haben nach alter Gewohnheit
hinter meinem Rücken Geschäfte mit dem Klienten gemacht oder ihn irgendwie
übers Ohr gehauen, stimmt’s? Los, raus mit der Sprache!“
    Sein Gestammel war deutlich genug, um es als
Fluchen zu deuten.
    „Ich hab Zeit“, sagte ich so ruhig wie möglich.
„Von mir aus können wir die Sitzung bis morgen früh fortsetzen. Ich bin zwar
kein Schwergewicht, aber um Sie festzuhalten, reicht es.“
    Er bat mich keuchend, mein Knie von seiner Brust
zu nehmen. Sonst könne er nicht sprechen. Ich tat ihm den Gefallen. Er stand
auf und begann mit seiner Geschichte, wobei er die ganze Zeit auf die
Zigaretten schielte. Nach und nach erfuhren wir, was in der Rue Cardinet
passiert war, in die uns ein Mann namens Guy Duval gerufen hatte.
    „Ich komm also da an, und der Kerl fragt mich:
,Sind Sie neu bei Nestor Burma?“ Ja, sag ich, seit knapp einer Stunde. Dann
haben wir über die Sache selbst geredet, und er hat schließlich erklärt, das
Ganze sei so’ne Art Bluff, mehr ‘n Witz. Er selbst habe keine Zeit, die Komödie
weiterzuspielen, aber wenn ich’s an seiner Stelle machen wolle... Ich würd’s
nicht bereuen, hat er gesagt. Wir haben uns sofort verstanden. Er hat mir
erklärt, was ich zu tun hätte. ,Sie sagen Ihrem Chef nichts davon’, hat er
gesagt, ,und tun so, als würden Sie den Fall weiterverfolgen. Und in ein paar
Tagen verläuft das Ganze im Sand.’ Und dann hat er mir... äh... 1000 Francs
gegeben.“
    „2000“, korrigierte ich. „Hören Sie endlich auf
mit der Lügerei!“
    „2000, ja“, gestand er.
    „Beschreiben Sie den Kerl“, forderte ich ihn
auf. „Er ist nicht zufällig jung? Schiefe Nase, fliehendes Kinn, fliehende
Stirn, ausweichender Blick, dünnes Bärtchen?“
    „Genauso sah er aus! Bis auf das Bärtchen...“
    „So was kann man abrasieren... Wie sieht das
Haus aus, in dem er wohnt?“
    „Mehr ‘ne Absteige..
    „Alles klar, Hélène?“ wandte ich mich an meine
Sekretärin. „Wir brauchen gar nicht nachzusehen, ob Guy Duval noch in seinem
Nest ist. Unser Freund, der Fliehende, hat sie wieder ergriffen, die Flucht!“
    Ich dachte einen Augenblick nach, schob dem
Geständigen die Zigaretten rüber. Er steckte sich sofort eine in den Mund und
zündete sie an. Dann stammelte er verlegen:
    „Also dann... ich glaube
    „Aber nein“, fiel ich ihm ins Gestottere, „Ich
habe nicht vor, Sie rauszuschmeißen. Sie können weiter für mich arbeiten. Aber
für mich, klar? Gut. Sie tun jetzt so, als hätten wir kein Wort über die Sache
verloren, und halten sich an Duvals Anweisungen. Erfundene Berichte und das
ganze Tralala. Aber ganz seriös, so als wollten Sie mich hintergehen. Und vor
allem: Klappe halten! ... Später werden wir dann sehen, ob wir was anderes für
Sie haben. Bis dahin...“
    „O.k.“, sagte Friant überglücklich.
     
    * * *
     
    Es schlug drei Uhr, als Hélène einen jungen Mann
in mein Büro führte. Sie konnte

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