Nestor Burma in der Klemme
Waffe, für alle Fälle. Barton ist nicht vorsätzlich
erschossen worden.“
„Waren Sie dabei?“ knurrte Marc.
„Madame Bourguet war normal groß. Wie hätte sie
ihn dann in den Bauch schießen können? Kniend?“
„Tja... Also?“
„Also? Tja, also wollte Barton die Frau gar
nicht erpressen, sondern Informationen von ihr haben. Sie ist in das Zimmer
gekommen, hat das Geld auf den Tisch gelegt, Barton hat ihr gedroht — leise,
denn es mußte ja nicht das ganze Haus Bescheid wissen! — , er geht auf sie zu,
sie weicht zurück, fällt... und kniet schließlich vor dem Verräter. Zweierlei
vermischt sich in ihrem Kopf: die Notwendigkeit, sich selbst zu verteidigen,
und die Möglichkeit, ihren ehemaligen Geliebten zu rächen. Sie holt den
Revolver raus und schießt. Von unten nach oben, aus einer Entfernung von
ungefähr vierzig Zentimetern. So lautete der ärztliche Befund.“
„Welche Informationen wollte Barton denn von ihr
haben?“ fragte Covet. „Geld verachtete er...“
„...Gold aber nicht!“
„Verdammt! Die Barren?“
„Genau die! Wird Zeit, daß Sie daran denken. Ich
hab noch mal die Zeitungen von damals studiert. Sie erwähnen das verschwundene
Gold erst, nachdem Thévenon sich selbst den Flics gestellt hat. Barton war im
Knast, hat aber wohl alles von seinem Anwalt erfahren. Wie alle anderen
vermutet auch er, daß nur die Frau mit dem Schleier das Versteck der Barren
kennt. Er selbst ist nicht in das Geheimnis eingeweiht, davon bin ich
überzeugt, auch wenn Hélène und noch einige andere das Gegenteil glauben...
Barton kehrt so schnell wie möglich nach Paris zurück. Anfang März in
Deutschland repatriiert, wartet er nicht erst auf den Heimtransport. Das kann
noch Monate dauern. Nein, er hat nichts Eiligeres zu tun, als in die Hauptstadt
zurückzukehren. Irgend etwas zieht ihn magisch an. Was sonst, wenn nicht die
Goldbarren, sozusagen sein Anteil? Vermutlich weiß er schon seit langem, wer
die Unbekannte in dem Taxi war. Er macht sich sofort auf die Jagd nach Madame
Bourguet und noch nach jemand anderem, aus unterschiedlichen Gründen. Er geht
sehr behutsam vor, sucht z.B. seine alte Wohnung erst dann auf, als er erfährt,
daß der Concierge gewechselt hat. Und auch dann nur nach Einbruch der
Dunkelheit. Bei dem Tempo kann seine Suche lange dauern. Plötzlich, letzten
Montag, ein Glückstag — der nächste Tag sollte ihm weniger Glück bringen! — ,
trifft er durch einen wunderbaren Zufall ganz kurz hintereinander — ich weiß
von jemandem, mit dem er sich unterhalten hat, daß er’s verdammt eilig hatte —
, trifft er also auf beide Personen, hinter denen er her ist. Er war schon
drauf und dran, sich mit mir in Verbindung zu setzen.“
„Was?“ staunte jetzt Marc.
„Ach, richtig, das wußten Sie ja noch gar
nicht...“
Ich erzählte ihm das Nötigste.
„Herrlich!“ rief er begeistert. Seine Nase, die
ins Violette spielte, zitterte vor Erregung. „Das könnte ‘n prima Artikel
werden.“
„Wieso ,könnte’? Haben Sie Ihren Beruf an den
Nagel gehängt?“
„Im Augenblick gibt es Wichtigeres, über das man
schreiben kann! Aber egal, für mich selbst habe ich einen Ordner angelegt. Werd
gleich dazuschreiben, was Sie mir soeben erzählt haben... Aber sagen Sie: Warum
ist diese Frau, die immerhin den Taxi-Coup hinter sich gebracht und einen Kerl
abgeknallt hat, warum ist ausgerechnet die plötzlich schwach geworden und hat
sich umgebracht?“
„Die Nerven, Covet, die Nerven! Die Spritztour
mit dem Taxi hat sie geschafft und ihr nachhaltig geschadet. Ich konnte mich
heute morgen davon überzeugen. Die Frau hat Barton getötet. Nicht vorsätzlich,
sondern im Affekt. Sie wollte mir Schweigegeld geben, was völlig unnötig war.
Mein Verhalten konnte nur ein Nervenwrack wie sie beunruhigen. Heute hat sie
aus der Zeitung erfahren, daß eine Frau verdächtigt wird. Sie ist müde, will
nicht mehr weiterkämpfen, bringt sich um. Logisch, nicht wahr?“
„Ja, hört sich ganz schlüssig an“, brummte
Covet.
„Das hört sich nicht nur so an, das ist schlüssig! Barton wurde mit einem 7,65er getötet. Die Schüsse hat niemand im
Haus gehört, obwohl er schon beim Bombenalarm tot war. Madame Bourguet besaß
7,65er Schalldämpfer. Haben die Flics schon den entsprechenden Schluß gezogen?“
„Keine Ahnung.“
„Haben sie bestimmt. Aber es kann nicht schaden,
ihnen zu verstehen zu geben, daß nicht nur sie zwingende Schlüsse ziehen
können. Damit sie hübsch bescheiden
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