Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
verstehen“, tröstete ich ihn.
    „Ich verstehe nur soviel, daß Sie eine
merkwürdige Art haben, in anderer Leute Haus einzudringen.“
    „Monsieur Burma ist ein dynamischer junger
Mann“, erklärte Covet lächelnd.
    „Mit Ihnen rede ich gar nicht“, sagte Monsieur
Jander zu meinem Freund. „Bei Ihrem ersten Besuch, Monsieur Burma, haben Sie
nicht den Eindruck eines Flegels gemacht. Und wenn Sie tatsächlich so dynamisch
sind, wie es der Herr dort behauptet, dann beweisen Sie’s mir: Verschwinden Sie
so schnell wie möglich!“
    „Nein“, erwiderte ich ruhig.
    „Dann rufe ich die Polizei.“
    Ich war schneller als er — dynamischer eben! —
und legte meine Hand aufs Telefon.
    „Seien Sie nicht kindisch“, sagte ich begütigend.
„In Ihrem Alter! Bitten Sie lieber Ihre Frau, uns allein zu lassen. Ich muß mit
Ihnen von Mann zu Mann sprechen.“
    Er wollte nicht hören. Also reichte ich ihm den
Telefonhörer, wobei ich ihm etwas ins Ohr flüsterte. Er ließ gleichzeitig Hörer
und Pfeife fallen. Ganz grün im Gesicht, stammelte er:
    „Aber... Wie... Ich...“
    „Nur keine Panik“, beruhigte ich ihn. „Wir
werden Sie nicht gleich fressen.“
    Er bemühte sich krampfhaft, ein Lächeln auf sein
Gesicht zu zaubern.
    „Laß uns bitte alleine“, sagte er zu seiner
Frau, die ihn völlig verständnislos ansah. „Die Herren machen nur Spaß. Wir...“
    Er hatte Madame aus dem Zimmer geschoben und
schloß die Tür. Als er sich zu uns umdrehte, sah er um Jahre älter aus. Sein
friedliches, gemütliches Rentnergesicht drückte Angst aus.
    „Wie haben Sie das herausgefunden?“ fragte er
wie erschlagen.
    „Nebensächlich. Ich weiß es eben. Und Sie
erzählen mir jetzt bitte die ganze Geschichte im einzelnen.“
    „Ich wüßte trotzdem gerne…“
    Der Kerl versuchte doch tatsächlich, um den
heißen Brei herumzureden. Ich drohte ihm:
    „Wie Sie wissen, bin ich Privatdetektiv. Und
zwar ein guter! Mein Freund hier gilt als hervorragender Journalist, aber
außerdem... Sehen Sie, was er Ihnen mitgebracht hat.“ Ich zeigte Monsieur
Jander das Foto mit dem Fingerabdruck. „Eindeutig Ihr Markenzeichen, gefunden
auf Thévenons Revolver. Seit vier Jahren vergleichen die Leute vom
Erkennungsdienst ihren Daumen mit den Fingerabdrücken ihrer neuen Kunden. Die
Flics würden einiges darum geben, in diesem Augenblick an meiner Stelle zu
sein. Und eins ist ganz klar, Monsieur: Wenn Sie hier nicht reden wollen,
werden Sie’s bald am Quai des Orfèvres tun müssen, das schwör ich Ihnen! Aber
wenn Sie hier und jetzt reden, kann der Quai des Orfèvres...“
    Ich machte eine wegwerfende Handbewegung über
meine Schulter. Im Argot der Gesten hieß das soviel wie: Die Jungs von der Tour
Pointue können mich mal kreuzweise!
    „Darf ich Ihnen vertrauen?“ flüsterte Jander.
    „Hören Sie! Ich bin der Privatdetektiv Nestor
Burma. Die Gesellschaft ist groß und stark genug, um alleine klarzukommen. Ich
jedenfalls kämpfe nicht für sie, sondern nur für mich ganz persönlich. Auf
eigene Rechnung, sozusagen. Und wenn ich kämpfe, dann kämpfe ich!“
    „Ich weiß nicht, ob ich eine so egoistische
Berufsauffassung gutheißen kann, aber…“
    Er war wirklich entrüstet. Ich lachte laut los,
Marc ebenfalls. In unserem Gelächter ging der zweite Teil des Satzes unter, den
uns der bürgerliche Moralapostel vorsetzen wollte. Trotz seiner Angst hatte er
immer noch nicht aufgegeben.
    „Wir kommen ein andermal wieder, um uns Ihre
Moralpredigt anzuhören“, sagte ich, Tränen in den Augen. „Mit so einem Vorbild
wie Ihnen wird das ‘n Mordsspaß... Im Moment jedoch...“
    „Oh, ich will Ihnen gerne alles erzählen“,
entschied er sich.
    „Na, dann mal los!“
    „Und setzen Sie sich doch ruhig“, lud Marc Covet
ihn ein.
    Er seinerseits lümmelte sich in einem Sessel, so
als wär er der Hausherr.
    Der ehrenwerte Monsieur Jander gehorchte
mechanisch. Verlegen drehte er seine erloschene Pfeife in den Händen, wobei er
von Zeit zu Zeit die verräterische Narbe vorwurfsvoll ansah.
    „Nach dem Überfall in Le Havre“, begann er
schließlich, „wußte niemand, wo Thévenon sich versteckt hielt. Also, Messieurs,
er wohnte bei mir! Nicht hier im Haus, oh nein! In dem Häuschen in der Allée du
Platane...“
    „Ach!“ rief ich verblüfft. „Aber fahren Sie
fort.“
    „Das Haus ist immer schon schwer zu vermieten
gewesen. Ich war froh, einen netten jungen Mann gefunden zu haben, Ende 1937.
Alain Tannier, liebenswürdig,

Weitere Kostenlose Bücher