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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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die Zeitung schreiben. Eine
Gemeinschaftsproduktion sozusagen! Aber keine Angst: Ich erhebe keinen Anspruch
auf Urheberschaft. Unterzeichnen wirst nur du, du ganz allein! Und dann... Hör
gut zu: Du haust ab, verstanden? Findest du nicht, daß ich sehr großherzig bin?
Ich...“
    Reboul hüstelte. Nicht zum ersten Mal, aber ich
hatte bisher nicht darauf geachtet. Jetzt kapierte ich endlich. Vor allem
deshalb, weil er mich am Arm berührte. Ich drehte mich um.
    Monsieur Thiry war immer noch da. Ich hatte ihn
ganz vergessen. Seine vornehmen Ohren waren ganz rot geworden von dem, was er
in den letzten Minuten über die dynamischen Methoden des Nestor Burma erfahren
hatte. Ja, sie hatten wirklich viel zuviel gehört.
    Fieberhaft suchte ich nach einer Möglichkeit,
den guten Mann einzuschüchtern. Sonst würde er das, was er hier mitgekriegt
hatte, später weitererzählen. Ich kramte meine kümmerlichen Deutschkenntnisse
hervor, die sich auf Dinge wie „Mahlzeit“, „Wiedersehn“, „Danke schön“ und „Ist
verboten“ beschränkten. Das warf ich Reboul schnarrend an den Kopf, wobei ich
die Augen rollen ließ. Mein Mitarbeiter antwortete mit einem erstklassigen
„Jawoll“, eins von denen, die man nur in schlechten Spionagefilmen zu hören
kriegt. Es fehlte nicht viel, und er hätte die Hacken zusammengeknallt. Während
wir diese Privatvorstellung gaben, betete ich, dieser Thiry möge doch bitte
kein Germanist sein. Das hätte uns ziemlich alt aussehen lassen!
    Monsieur Thiry war glücklicherweise der
deutschen Sprache nicht mächtig. Das verriet mir sein beunruhigter Blick.
Später sollte uns die Zeugenaussage dieses Mannes ins Zwielicht bringen; aber
erst einmal stopfte ihm unsere Komödie das Maul. Und das war im Moment die
Hauptsache. Gut, daß mir dieser Trick eingefallen war.
    Laurent Gaillard holte mich wieder in die
Wirklichkeit zurück. Er hatte meine vorübergehende Unaufmerksamkeit ausgenutzt
und sich mit einem Kraftakt befreit. Wie ein Trottel lag ich auf dem Boden. Die
vielen Clownsnummern rührten wahrscheinlich daher, daß ein Zwerg aus dem Zirkus
in diesen Fall verwickelt war.
    Ich rappelte mich wieder hoch... und hörte, wie
die Tür zu meinem Abstell-Labor zugeknallt wurde. Gaillard behielt einen kühlen
Kopf. Er wollte übers Dach flüchten. Ich stürzte zur Tür. Der Riegel wurde von
innen vorgeschoben. Mit vereinten Kräften drückten Reboul und ich die Tür ein.
Der Tisch stand unter der Dachluke, das Fensterchen war hochgeklappt. Ich
kletterte aufs Dach. Die Zirkusnummer war noch nicht zu Ende.
    Etwa fünfzig Meter weiter entdeckte ich den
Flüchtenden hinter einem Kamin auf dem Nachbarhaus. So gut es das schwierige
Gelände erlaubte, rannte er weiter, den rechten Arm angewinkelt, wie um seine
angeknackste Hand zu schützen.
    Die Nacht brach herein. Es fiel ein Nieselregen,
der dem Februar alle Ehre gemacht hätte. In den Büros gegenüber hatte man schon
lange Licht gemacht und die dunklen Vorhänge zugezogen, wie es der Zivilschutz
verlangte. Niemand konnte uns sehen, wie wir hier wie die Affen rumturnten. War
mir auch lieber!
    Langsam, ganz langsam verringerte sich der
Abstand zwischen mir und dem schönen Gangster. Da sprang er auf ein Dach, auf
dem rettende Luken offenstanden. In diesem Augenblick kam donnernder Lärm
näher. Mit unbeschreiblichem Getöse hielt eine Maschine der Luftwaffe direkt auf uns zu. Diese Tiefflüge waren ja die reizende Spezialität der
deutschen Piloten...
    Ich mußte an die Filmserien meiner Kindheit
denken. An Strickleitern, die aus Hubschraubern geworfen wurden, um Pearl White
aus den Klauen eines teuflischen Chinesen zu retten. Aber dies hier war kein
Film. Der Stuka schnappte mir Gaillard nicht vor der Nase weg. Im
Gegenteil. Von dem Lärm überrascht, hob der Charmeur den hübschen Kopf. Das
reichte, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er rutschte auf dem nassen
Dach aus. Ich sah, wie er den Mund aufriß, konnte aber den Angstschrei nicht
hören... oder war es schon das Todesröcheln? Er schoß die schiefe Ebene
hinunter auf den unvermeidlichen Abgrund zu. Die Dachrinne hielt einen
Lidschlag lang seinen Fall auf, ohne ihn allerdings zu stoppen. Der Körper fiel
über den Rand, mit einer Hand klammerte sich der Unglückliche an die
Regenrinne. Aber es war’wohl die rechte, die er sich am Eisengitter in meiner
Agentur verletzt hatte.
    Von der Straße drangen entsetzte Schreie herauf,
als der Mörder des Direktors von I.D.U.S. auf dem Pflaster

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