Nestor Burma in der Klemme
hatten,
interessierte mich nun wirklich nicht. Respektlos knallte ich den Hörer auf die
Gabel. Ich stand auf und ging nachdenklich im Zimmer auf und ab. Die Probleme
häuften sich. Ich beschloß, das einfachste in Angriff zu nehmen — das der
Goldbarren — , dachte darüber nach, wie ich mich in dieser Angelegenheit zu
verhalten hatte, und zündete mir zur Belohnung eine Pfeife an.
Kaum setzte die Flamme des Feuerzeugs den Tabak
in Brand, kam in mir eine Erinnerung hoch. Ich taumelte, so sehr hatte mich die
plötzliche Erkenntnis getroffen. Auch wenn der Redakteur des Crépu meinte, zu angestrengtes Nachdenken schade nur, so kamen dabei doch hin und
wieder einige gute Ideen heraus. Manchmal auch ziemlich merkwürdige...
Wie der Blitz verließ ich die Agentur.
* * *
Der Concierge des Hauses in der Rue Lecourbe, in
dem ich am vergangenen Dienstag den Bombenangriff überlebt hatte, war
kurzsichtig wie ein Maulwurf. Er akzeptierte ohne weiteres — wie der
Nachtportier im Hotel Deux-Jumeaux — meine blauweiß-rot gestreifte Visitenkarte
als Ausweis des Zivilschutzes. Ich bat ihn, mich in den Luftschutzkeller zu
begleiten, wo ich etwas überprüfen müsse.
Unten warf ich offizielle Verwaltungsblicke um
mich. Dann fragte ich ihn, ob er mir bei einem kleinen Experiment behilflich
sein wolle. Er wollte. Ich stellte ihn dorthin, wo ich während des Alarms
gestanden hatte, knipste das Licht aus und stellte mich schräg hinter ihn. Für
den Bruchteil einer Sekunde ließ ich mein Feuerzeug aufflammen.
„Haben Sie etwas gesehen?“ fragte ich den
Concierge.
„Sie haben Ihr Feuerzeug aufflammen lassen“, war
die prompte Antwort.
„Haben Sie das gesehen ?“
„Ja.“
Der Mann war keineswegs erstaunt.
Unkonventionelles Vorgehen von Verwaltungsangestellten konnte ihn nicht aus der
Fassung bringen. Ich trat ein paar Schritte zurück und wiederholte das
Spielchen.
„Und jetzt?“ fragte ich.
„Sie haben wieder Ihr Feuerzeug angeknipst.“
„Moment... Sagten Sie ,angeknipst’? Meinen Sie
damit, daß Sie keine Flamme gesehen haben?“
„Ja, genau das. Ich hab nur das Geräusch
gehört.“
„Ich danke Ihnen, Monsieur“, sagte ich, ohne
mich von der Stelle zu bewegen. „Schalten Sie jetzt bitte das Deckenlicht an.“
Der Concierge ging zum Schalter und knipste das Licht an. Ich befand mich vor
der hintersten Kellertür, der Nr. 7. Zwischen der groben Holztür und dem oberen
Teil der Türöffnung klaffte eine beträchtliche Lücke.
„Der Keller gehört zur Wohnung im dritten Stock
rechts“, erklärte der Concierge auf meine Frage. „Monsieur Denis, arbeitslos.“
Aber, wenn er so sagen dürfe, ein berufsmäßiger
Arbeitsloser, fügte er hinzu. Doch, Monsieur Denis sei bestimmt zu Hause, er
gehe nie weg. Sonst könne er ja womöglich Arbeit finden... Na ja, eine komische
Zeit sei das eben!
Lange nachdem ich geläutet hatte, öffnete
Monsieur Denis seine Wohnungstür. Sein Gesicht sprach Bände: So als sei er
darauf gefaßt, daß das Gas abgesperrt und gleichzeitig der Gerichtsvollzieher
vor der Tür stehen würde. Sein Blick allerdings verriet mir, daß man dem
„berufsmäßigen Arbeitslosen“ nichts vormachen konnte. Also verplemperte ich
meine Zeit nicht damit, ihm eins meiner üblichen Märchen aufzutischen.
„Dem Concierge hab ich mich als Inspektor des
Zivilschutzes vorgestellt“, begann ich, „Ihnen kann ich erzählen, daß ich mich
für Archäologie interessiere. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, mir zu
glauben. Eins ist aber ganz sicher: Für Sie springen hundert Francs raus.“
Bei den letzten Worten hellte sich sein Gesicht
auf; zunächst hatte es skeptische Verwirrung widergespiegelt.
„Sie sehn nicht aus wie’n Flic“, bemerkte er
scharfsinnig. „Nein, aber im Schnüffeln bin ich genausogut. Und genau deshalb
bin ich hier! Also, hier meine 100-Francs-Frage: Waren Sie in letzter Zeit in
Ihrem Kellerraum?“
„Vor einem Monat hab ich das letzte Stück Kohle
rausgeholt. Wein war nie drin, bei einem Liter pro Woche...“
„Das heißt, Sie waren seit einem Monat nicht
mehr in Ihrem Keller?“
„So ungefähr.“
„Würden Sie so nett sein und jetzt mit mir
zusammen runtergehen?“
Mit den versprochenen 100 Francs begegnete ich
seinem Zögern.
„Ein teures Schlüssel-Herumdrehen!“ stellte ich
lachend fest. „Ich hätte das Schloß auch aufbrechen können, aber ich kann das
Geräusch nicht leiden.“
„Na gut“, murmelte er, ein wenig überrumpelt.
Quietschend
Weitere Kostenlose Bücher