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Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Titel: Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Leinwand angeführten Vergehen und kommentierte fachmännisch
jedes einzelne von ihnen: Zanksucht oder Hysterie, Vernachlässigung der Haushaltsführung,
böswilliges Verlassen des Ehepartners, ständige alleinige Freizeitaktivitäten …
    »Meiner
Frau war natürlich mit keinem dieser Verstöße beizukommen. Was Sie hier sonst noch
finden, ›Verletzung der Unterhaltspflicht‹ oder ›ständige Misshandlungen‹, kann
als irrelevant betrachtet werden. Also blieb mir nur eins, nämlich Jenny zu einem
effektiven Ehebruch zu bringen.
    Bei Jennys
lauem Temperament schien das so gut wie unmöglich. Da erinnerte ich mich daran,
dass sie einmal am Beginn unseres Ehelebens gewisse Sympathien für einen meiner
Freunde – nennen wir ihn im Folgenden Jim – entwickelt hatte. Ich beschloss, den
Versuch zu wagen, Jim, der immer noch Single war, auf Jenny anzusetzen. Er erklärte
sich bereit, gegen ein kleines Entgelt mitzumachen. Also arrangierte ich einen Abend
zu dritt und hoffte, dass Jenny bei Jim anbeißen würde.
    Es dauerte
einige Zeit, und ich begann schon, die Hoffnung aufzugeben. Jenny war wirklich eine
treue Seele. Sie trafen sich zwar regelmäßig, aber nichts, was an ein ehewidriges
Verhalten herankam, geschah. Dann war es endlich so weit. Ich bekam von Jim telefonisch
eine Vollzugsmeldung. Jetzt musste die Sache nur noch bewiesen werden. Jim und ich
beschlossen, noch kurz zu warten und dann den richtigen Zeitpunkt für eine Entdeckung
in flagranti zu wählen.«
    Der Mann
unterbrach seine Rede und trank gierig einige Schlucke Wasser, ehe er weitersprach:
    »Von da
an klappte die Sache hervorragend. Ich möchte Ihnen jetzt die näheren Details ersparen.
Jenny gab alles zu, und ich erreichte die Scheidung zu meinen Gunsten. Kurzfristig
dachte ich sogar, sie und Jim würden zusammenbleiben. Aber er war ein eingefleischter
Junggeselle und ging schon bald wieder seine eigenen Wege.«
    Ein erneuter
Klick mit der Maus, ein neues Bild:
     
    ›Ist-Zustand:
    Jim allein
    Jenny allein
    Ich allein‹
     
    »Ich habe seither nie wieder etwas
von Jim gehört«, sagte der Mann trocken. »Er hat weder auf Anrufe noch auf Mails
von mir reagiert. Die Gründe kenne ich nicht, aber sie werden wohl mit dieser Geschichte
zu tun haben. Jenny lebt irgendwo in Wien ohne nennenswerte Kontakte zur Außenwelt.
Als Jim sie verließ, hat sie wohl schnell gemerkt, dass es sich um ein abgekartetes
Spiel gehandelt hatte. Sie verachtet mich, und ich respektiere das. Meine eigene
Beziehung, wegen der ich alles inszeniert hatte, ging ebenfalls in die Brüche. Sie
dauerte nicht einmal ein Jahr. Das Mädchen verließ mich wegen einem anderen, jüngeren.
    Ich bin
heute kein glücklicher Mensch. Oft denke ich über die Geschehnisse nach, die ich
Ihnen soeben geschildert habe. Ich möchte behaupten, dass ich in eine totale Gefühllosigkeit
hineingedriftet bin. Schon lange bin ich nicht mehr in der Lage, so etwas wie Freude
oder Schmerz zu empfinden.
    Ich bin
jetzt am Ende meiner Ausführungen angelangt und bedanke mich für die Zeit, die Sie
sich genommen haben, um mir zuzuhören. Mein Verhalten hat in vielerlei Hinsicht
zu wünschen übrig gelassen, doch hoffe ich ein wenig, dass der eine oder andere
das tut, was ich mir eigentlich nicht erwarten darf – mir verzeihen. Danke für Ihre
Aufmerksamkeit!«
    Eine kurze,
angedeutete Verbeugung. Erst zögernder, dann stärkerer, anerkennender Applaus. Aus
der ersten Reihe sprang ein Mann in einem beigefarbenen Sommeranzug auf, der Einzige
ohne Maske. Er lief, immer noch klatschend, nach vor und fasste den Vortragenden
an der Schulter. Er wartete einige Sekunden, bis es wieder ruhig war, dann fragte
er: »Nun, wie fühlen Sie sich?«
    »Erleichtert«,
kam die Antwort. »Wirklich erleichtert.«
    »Haben sich
Ihre Erwartungen erfüllt?«
    Kurzes Nachdenken,
dann: »Eigentlich habe ich es mir einfacher vorgestellt. Es war weitaus schwieriger
als bei unseren vorbereitenden Gesprächen. Plötzlich hören einem so viele Leute
zu. Aber das ergibt einen kolossalen reinigenden Effekt.«
    »Das Publikum
hat Ihnen also geholfen?«
    »Ja, natürlich!
Diese Ruhe, diese knisternde Spannung – das trägt einen gewissermaßen ins Ziel.«
    Der Graumelierte,
der hier die Aufgabe des Moderators übernommen hatte, wendete sich an das Publikum:
»Haben Sie irgendwelche Fragen an unseren Vortragenden?«
    Ein weibliches
Wesen zeigte auf. »Warum haben Sie nicht versucht, mit Ihrer Frau …«
    »Unerlaubte
Frage«, unterbrach der

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